Sternenfaust - 048 - Das Bündnis von Tarka
eine ähnliche Direktdemokratie wie die Starr, in der jeder über jede noch so unbedeutende Entscheidung das Volk betreffend abgestimmt hat und die Mehrheit sich durchsetzte. Das führte zu einem Chaos, das die Verwaltung behindert hat, denn die Mehrheitsentscheidung erwies sich nicht immer als vorteilhaft für das Volk. Deshalb wurde, nach diversen Experimenten auf diesem Gebiet, die heutige Regierungsform eingeführt.«
»Mit einer Herrscherin an der Spitze, die wie ein Schiffskommandant bestimmt, was gemacht wird?«, zischte Sun-Tarin verächtlich. »Das ist nach meiner Definition eine Diktatur.«
»Das wäre es auch, wenn es sich so verhielte. Aber die oder der tashna’ak leistet einen Eid, keine Entscheidung zu treffen, die nicht dem Wohl des gesamten Volkes dient. Und Sishu’a muss – zumindest nachträglich – jede ihrer Entscheidungen vor dem Rat rechtfertigen. Fehlentscheidungen kommen natürlich immer mal vor. Schließlich ist niemand perfekt. Aber wenn eine solche Fehlentscheidung nachweislich nicht auf einem ehrlichen Irrtum oder nicht auf einem von der Herrscherin nicht zu vertretenden Informationsmangel beruht, wird sie sofort abgewählt. Jeder Shisheni weiß, dass wir den Entscheidungen der Herrscherin vollkommen vertrauen können. Unser Volk ist mit der gegenwärtigen Regierungsform immer bestens zurechtgekommen. Sie entspricht unserer Kultur und unserem Wesen.«
Und dagegen gab es kein stichhaltiges Argument. Sun-Tarin hatte das unangenehme Gefühl, diese Diskussion auf ganzer Linie verloren zu haben. Er trat den Rückzug an, so würdevoll es ihm möglich war.
»Ich würde diese interessante Unterhaltung sehr gern fortsetzen. Botschafterin, aber meine freie Zeit ist leider um. Die Pflicht ruft.«
»In diesem Fall will ich Sie nicht davon abhalten, Berater Sun-Tarin. Ich freue mich aber schon jetzt auf unser nächstes Gespräch, das hoffentlich bald stattfindet.«
Nicht, wenn ich es vermeiden kann! , dachte Sun-Tarin vehement, antwortete aber höflich: »Sobald ich es einrichten kann. Guten Tag, Botschafterin.« Mit diesen Worten stakste er würdevoll auf seinen Vogelbeinen hinaus.
Kimusha’a wandte sich an Marco Saizew. »War diese Behauptung eine Höflichkeit des Kridan, oder hat er es ernst gemeint?«
Saizew lachte. »Ich gebe zu, ich kenne mich mit kridanischer Mimik und Gestik nicht annähernd so gut aus wie inzwischen mit der shishenischen, aber ich müsste mich sehr täuschen, wenn Sun-Tarin Ihre Gesellschaft nicht ab sofort meiden wird wie die Pest.«
»Was habe ich getan, um ihn so wütend zu machen?«
»Oh, ich glaube nicht, dass er wütend war, aber …«
»Er war wütend«, beharrte Kimusha’a. »Ich konnte es deutlich riechen.«
»Riechen?«
Die Shisheni verzog ihren Schlangenmund zu einer Imitation menschlichen Grinsens und wisperte mit ihren Schuppen. »Jedes Wesen strömt bei jeder Gefühlslage einen bestimmten Geruch aus. Man muss nur lernen, die zu unterscheiden, um immer darüber informiert zu sein, was das Gegenüber gerade fühlt.«
Saizew stieß scharf die Luft aus und schüttelte den Kopf. »Und ich hatte schon befürchtet, die Shisheni wären Telepathen. Aber das erklärt natürlich, wieso Ihre Leute immer so verdammt sicher wissen, was Ihre menschlichen Gäste fühlen. Erstaunlich.«
»Ich hoffe, Sie empfinden das nicht als Bedrohung, Botschafter Saizew. Wir schnüffeln nicht absichtlich in Ihrem Gefühlsleben herum, aber wir können Geruchswahrnehmungen nicht abblocken. Jedenfalls nicht ohne geruchshemmende Medikamente einzunehmen. Und dafür gab es für uns bisher keine Veranlassung.«
»Da ich nichts zu verbergen habe, stört es mich nicht, Kimusha’a. Ich frage mich allerdings …« Er sah die Shisheni nachdenklich an. »Riechen alle Wesen gleich, wenn sie zum Beispiel wütend sind?«
»Nein. Jede Spezies hat ihre eigene Kombination von Duftstoffen. Ein Mensch riecht nie wie ein Kridan und umgekehrt.«
Saizew nickte. »Genau darauf wollte ich hinaus. Meines Wissens sind die Shisheni noch nie zuvor den Kridan begegnet. Woher also können Sie wissen, welchen Geruch ein Kridan ausströmt, wenn er wütend ist?«
Kimusha’a wisperte leise mit ihren Schuppen. »Nun, Botschafter, Sie leben lange genug bei uns um zu wissen, dass wir viele nützliche Fähigkeiten besitzen.«
»Ich weiß, aber das ist keine Antwort auf meine Frage.«
Kimusha’a wurde ernst. »Wir sind ein sehr kleines Volk, verglichen mit den Menschen, J’ebeem, Kridan und anderen. Und
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