Sternenfaust - 081 - Der Hohe Rat
kein Vielleicht geben würde. Aber er verdrängte diese Gedanken, bekämpfte die immer stärker werdenden Schmerzen mit allem, was man legal oder illegal bekommen konnte. Vielleicht …
Acht Monate waren nicht viel Zeit, doch Besster wollte sie nicht in seiner Wohnung verbringen, ganz sicher nicht in einer Klinik. Vielleicht würde ihm kurz vor dem Ende keine andere Wahl als die Klinik bleiben, denn irgendwann würden die Analgetika nicht mehr wirken, selbst die nicht, die Parks sich auf dem Schwarzmarkt besorgte.
Doch noch war es nicht so weit. Parks hatte nie geheiratet, Kinder gab es nicht. Seine Eltern waren schon lange tot. Er war für Diaz’ Pläne ideal.
Einige Tage vergingen nach dem Gespräch am See. Dann war es wieder der gleiche Ort, die gleiche Gelegenheit, die Diaz nutzte. Unvermittelt blieb er stehen, wartete, bis Besster sich dicht neben ihm befand. »Sie stinken entsetzlich, Frosch.«
Besster Parks wich indigniert zurück. »Aber Mr. Diaz, was …«
»Sie haben sich übergeben, nicht wahr? Die Schmerzen waren wohl zu stark. Wollen Sie meine Hilfe? Ich kann Ihnen helfen. Ich nenne Ihnen nun die Namen ganz bestimmter Wirkstoffe, Ingredienzien, Chemikalien. Hören Sie gut zu – merken Sie sich alles genau, denn eine schriftliche Auflistung wäre zu riskant. Es sind Dinge dabei, die sicher nicht leicht zu besorgen sind, doch Sie schaffen das schon.«
»Warum sollte ich ausgerechnet Ihnen …«
Jurij R. Diaz ließ Parks erneut nicht aussprechen. »Warum? Nun, weil ich in der Lage bin Ihnen zum einen die Schmerzen zu nehmen, zum anderen Ihr Leben um, sagen wir mal, ein halbes Jahr zu verlängern. Und das sind nur die Dinge, die ich von hier aus, aus meinem Gefängnis, für Sie tun kann, Frosch. Reicht das vorläufig als Antwort? Wenn nicht, dann noch dies: Bringen Sie mich von hier fort, helfen Sie mir, meinen Status quo in andere Richtungen zu lenken, dann kann ich noch weitaus mehr für Sie tun. Deutlich genug, Frosch? Wenn nicht, dann eben noch deutlicher: Mit einem ordentlichen Labor und einem oder zwei Fachleuten, die meine Anweisungen befolgen, kann ich Ihren Tumor zerstören. Es ist doch ein Tumor, nicht wahr?«
Parks hatte nur apathisch genickt. Was Diaz da sagte, stellte das Weltbild auf den Kopf, das er sich zurecht gelegt hatte. Gezwungenermaßen, denn Bessters Denken war ja längst nicht mehr selbstbestimmt. Alles drehte sich nur noch um das Glioblastom, das bösartig in seinem Kopf wucherte, um die Schmerzen, die immer unerträglicher wurden, um das Beschaffen der Schmerzmittel, um seine Persönlichkeit, die sich progressiv zu verändern begann. Parks wusste das alles. Und nun kam Diaz mit einem Licht am Ende des tödlichen Tunnels.
Die Apathie verschwand schnell wieder, denn Besster Parks wollte leben. Wenn Diaz der Teufel war, dem er seine Seele dafür verkaufen musste, dann wollte er keinen Augenblick länger zögern, es zu tun!
»Also gut. Sagen Sie schon, was brauche ich? Ich habe ein verdammt gutes Gedächtnis, zumindest ist das früher so gewesen. Sagen Sie mir, was ich besorgen muss.«
Und der Teufel hatte zu sprechen begonnen …
*
Das Büro auf der zweitobersten Etage des Ito-Todoshi -Gebäudes in New York sah aus wie ein Lagerraum des Museums für außerirdische Kultur. Das musste zumindest ein Außenstehender denken, wenn er die Tür zu dem Raum öffnete, in dem Botschafterin Jefica Moll residierte.
Als hätte man einem Irren einen Tuschkasten in die Hand gegeben. So hätte wohl Commander Stephan van Deyk, Erster Offizier der STERNENFAUST, die Inneneinrichtung beschrieben.
Wie alle Botschafter der Solaren Welten hatte Jefica Moll, wenn sie nicht gerade in diplomatischer Mission unterwegs war, ein Büro in dem so genannten »Ito-Todoshi-Haus« – ein mittelgroßer Bau mit hohen Fenstern, der ein bisschen an einen klassizistischen Prunkbau erinnerte und inmitten eines großzügig angelegten Gartens lag – zu ihrer Verfügung. Das Haus der Botschafter, dessen Name an den ersten Präsidenten der 2041 gegründeten NUNO und seine zahllosen vorbildlichen Einsätze für den Weltfrieden erinnern sollte, befand sich in New York, gar nicht weit von dem Gebäude entfernt, das als die »Grüne Gurke« bekannt war – der Regierungssitz der Solaren Welten.
Dementsprechend kurz war der Weg gewesen, den das Ratsmitglied für Außenpolitik der Solaren Welten Vijay Gustafsson vom Hauptsitz des Hohen Rates hatte nehmen müssen.
Vijay Gustafsson, dessen indische Wurzeln
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