Sternenfaust - 087 - Amnesie
obersten Fach hervor. Unter den gewölbten Holzintarsien des Zierdeckels wusste sie die Aktivierungsschalter. Sie brach den Deckel auf. Ein weiterer Blick auf den Tischmonitor überzeugte sie davon, dass kein Stationspersonal mehr im unterirdischen Bereich unterwegs war.
Die meisten der gerade mal 42 Bewohner waren tot, wenige in Schutzbunkern, einige auf den Weg zur Oberfläche.
Valentina aktivierte grimmig die Notschaltung. Doch kein Heulen durcheilte die Gänge, äußerlich tat sich nichts. Valentina hielt die Luft an. Peter, wenn deine Anlage nicht funktioniert, oder deine Stellvertreterin doch von ihr wusste, sehen wir uns wohl gleich wieder. Sie seufzte gereizt, kam wieder in die Höhe und rannte zu einem der toten Marines.
Sein Anzug hatte beim Thermobeschuss so sehr gelitten, dass nichts Verwertbares zu finden war. Beim zweiten hatte sie auch nicht mehr Glück.
Der immer noch sichernde Diaz wandte den Kopf zu ihr um. »Noch sind wir allein, Madame«, schmunzelte er. Er hob den freien Arm empor, drehte ihn präsentierend.
Valentina erkannte, was sie gesucht hatte. Am Handgelenk Jurij R. Diaz prangte ein Miniortungsgerät das die Positionen von getarnten Marines im Umkreis von 200 Metern anzeigte. In diesem Fall – keine.
»Wie sicher sind wir hier, Miss Duchamp?« wollte er wissen.
»Nun, wir wissen nicht, was sie wollen. Aber sie wissen, wo wir sind. Ich würde meinen, wir sollten hier schnellstmöglich verschwinden«, erwiderte sie unwillig. »Wieso haben Sie einen Ihrer Leute erschossen, Diaz?« setzte sie nach.
»Im Zweifelsfall für den Angeklagten, also für mich«, sinnierte er ernst. »Mir war und ist nicht ganz klar, was Canetti in Auftrag gab: mich zu befreien, oder mich aus den Weg zu räumen. Und nachdem dieser Marine Miss Haida nicht aufklärte, sondern wohl mehr als Ballast empfand – nun, ich wollte nicht auch als Ballast eingestuft werden.« Er zögerte. »Aber klar ist mir die Auftragslage immer noch nicht. Den nächsten Marine können wir ja dann in Ruhe befragen. Ah, da kommen ja auch schon zwei«, wurde seine Aufmerksamkeit von zwei Punkten auf dem Ortungsmonitor zurückgelenkt. »Ja, nun werden wir wohl gleich fragen können«, bestärkte Diaz seinen Sinneswandel.
Valentina richtete sein Waffe auf ihn. »Sie glauben doch nicht wirklich, dies sei eine Befreiungsaktion, Diaz?«
»Aber warum denn nicht«, bekam sie als Antwort. »Wenn Canetti mich hätte nur umbringen wollen, dann hätte ein Mann ausgereicht. Oder eine Frau«, setzte er bei einem Blick auf die tote Tara hinzu.
»Und wie Sie an Tara sehen können, können sich Loyalitäten schnell ändern. Sind Sie sich sicher, dass ein ganzer Trupp Marines Sie hier rausbringen soll? Wohin? Von diesem Bergwerk zurück nach Mining X? Wollen Sie Ihr Leben darauf verwetten?« brachte Valentina ihn in Verlegenheit. Wenn der sich zu sicher ist, drückt er ab und es ist aus mit mir , erschien ein unangenehmer Gedanke in ihrem Kopf.
»Die beiden Marines werden gleich hier sein«, stellte der ehemalige Lord Manager stattdessen sachlich fest.
Nun Diaz, entscheide dich. Valentina bebte innerlich. Willst du glauben, dass Canetti dich raushauen oder ausschalten will? Was glaubst du, würde Canettis Bemühen um Schadensbegrenzung mehr dienen?
»Sie kommen«, war das Letzte, was sie hörte.
*
Port Sirenum, Mars
Die Kantine für die Mitarbeiter des Raumhafens von Port Sirenum auf dem Mars war wie die umliegende Ortschaft selbst: laut, schmutzig und voller Menschen mit all ihren Ausdünstungen. Einer der Hauptumschlagsorte für die ansässige Industrie waren entsprechend viele in Overalls gekleidete Raumschiffmechaniker anwesend, die in Sandwiches bissen, Syntho-Drinks tranken und sich dabei derbe Späße an den Kopf warfen.
Kein besonders angenehmer Ort, um ein geheimes Treffen abzuhalten, aber ein durchaus neutraler und unauffälliger.
Sergeant Wanda Ndogo hatte sich an einen Tisch in einer dunklen Ecke gesetzt. Erst heute Morgen hatten sie Nachricht erhalten.
Gustafssons Bemühungen waren offensichtlich von Erfolg gekrönt gewesen. Das Ratsmitglied hatte den Kontakt zum Konzernsprecher von Far Horizon herstellen können und hatte Franz Jackson eine Nachricht von Wanda Ndogo zukommen lassen.
Zusammen mit Jefica Moll hatte sie ein paar diplomatisch geschickt formulierte Sätze in ein Datenfile geschrieben. Sehr vage, aber doch bestimmt im Inhalt und mit einer Dringlichkeit versehen, die den Konzernsprecher wohl hoffentlich
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