Sternenfaust - 087 - Amnesie
Wanda Ndogo. Sie seufzte. »Ich hatte mir gedacht, dass im Laufe des Tages bestimmt noch ein paar Schriftstücke und Videobotschaften dazukommen und dass ich sie deshalb am besten heute am frühen Abend geschlossen an die Adressaten sende. Außerdem hat mich Ratsmitglied Gustafsson noch mit einer aufwändigen Datennetz-Recherche beauftragt, für die ich mit Sicherheit ein paar Stunden benötige. Wenn Sie also nichts dagegen haben, würde ich gerne …«
Jefica Moll schenkte sich ein Glas Wasser aus einer bereitstehenden Karaffe ein und schnaufte vernehmlich. »Ja doch, sicher, machen Sie es so, wie Sie es für richtig halten. Es ist nur so – ich will, dass alles pünktlich und gewissenhaft erledigt wird! Nicht die Kontrolle über alles zu haben fühlt sich schrecklich an! Wir haben schon viel zu viel Zeit verstreichen lassen. Der Hohe Rat hat den Auftrag erteilt, das Diplomatencorps so schnell wie möglich zu etablieren. Das geht doch nicht, wenn ich hier den ganzen Tag faul rumliege oder mir unter Aufsicht die Glieder bei den Reha-Maßnahmen verrenken muss! Wir müssen unbedingt noch …«
Ein röchelnder Laut erklang und die Augen von Jefica Moll quollen leicht hervor.
Die Botschafterin wurde von einem Hustenanfall unterbrochen, weil sie in ihrem Übereifer versucht hatte, gleichzeitig aus dem Wasserglas zu trinken und zu sprechen.
Wanda konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Jefica Moll war schon ein besonderer Mensch. Besonders seltsam, ja, aber auch besonders motivierend und voller Elan, wenn sie von einer Sache vollkommen überzeugt war. Und auch wenn ihr Übereifer manchmal etwas ulkig wirkte, so war es doch genau richtig, eine Aufgabe auf diese Weise anzugehen. Das fand Wanda jedenfalls und sie freute sich, dass sie auch endlich wieder einmal lachen konnte.
Die letzte Zeit war nicht gerade angenehm für die dunkelhäutige Frau mit den Massai-Vorfahren gewesen. Ihre Aufgabe als inoffizielle Versorgungsoffizierin an Bord der STERNENFAUST hatte sie zusehends deprimiert. Da kam ihr das Angebot, als Assistentin für die Botschafterin zu arbeiten, gerade recht und obwohl sie sich zunächst mental noch dagegen gewehrt hatte, so war im Laufe der Zeit doch die Gewissheit gewachsen, dass genau das etwas war, was sie gerne tun wollte.
Ihr Abschied von der STERNENFAUST war distanziert und nüchtern verlaufen. Bevor der Sondereinsatzkreuzer zu einem neuen Auftrag aufgebrochen war, hatte sie bei einem Wartungsaufenthalt des Schiffs an einer Erd-Orbitalstation endgültig abgeheuert.
Captain Dana Frost und Commander Stephan van Deyk hatten sich persönlich bei ihr verabschiedet und ihr alles Gute für die Zukunft gewünscht.
Vor allem der Erste Offizier ließ Wanda ungern gehen. »Wann immer Sie es wünschen, können Sie auf die STERNENFAUST zurückkehren«, hatte er angeboten und Dana Frost hatte zustimmend dazu genickt.
Aber Sergeant Wanda Ndogo hielt nichts mehr auf dem Star Corps-Schiff. Nach den hektischen Ereignissen mit ihrem Kridan-Freund Sun-Tarin, der als Austauschoffizier auf der STERNENFAUST gedient hatte, war sie erst einmal von der Vorstellung eines abenteuerlichen Lebens beim Star Corps geheilt. Immerhin hatte Sun-Tarin sie im Zuge eines Undercover-Einsatzes auf eigene Faust als Täuschungsmanöver entführt.
Die Aktion hatte sie fast das Leben gekostet, aber sie war noch einmal mit dem Schrecken davongekommen. Trotzdem blitzten manchmal noch Szenen der Entführung in ihrer Erinnerung auf: ein bedrohliches Vogelgesicht, dass sich über sie beugte und sie aus dem Schlaf riss, nur um sie gleich darauf wieder zu betäuben. Sun-Tarins trübe Worte des Selbstzweifels, als er versuchte, sich in seiner Kabine umzubringen. Und nicht zuletzt die hasserfüllten Krächzstimmen der militanten Seraif-Krieger um Sun-Tarins Onkel Feran-San, die nichts anderes als ihren Tod gewollt hatten.
Trotz allem waren Sun-Tarin und Wanda Ndogo als Freunde auseinandergegangen, und während der ehemalige Tanjaj-Krieger sich zu Selbstfindungszwecken in ein kridanisches Kloster zurückgezogen hatte, wollte die Offizierin sich gleich wieder in die Arbeit, in die spannende neue Aufgabe als diplomatische Hilfskraft stürzen.
Sobald sie wieder in der Lage gewesen war, sich artikulieren zu können, hatte Jefica Moll sie buchstäblich mit Kusshand empfangen. Und seitdem hatte Wanda im Grunde genommen keine ruhige Minute mehr gehabt.
Die Botschafterin hatte jetzt an einem im Krankenzimmer aufgestellten
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