Sternenfaust - 087 - Amnesie
Trainingseinheiten belasten mich sehr, Miss Duchamp«, kommentierte sie ihr Tun. »Aber, das scheint mir ja nichts dagegen zu sein, was Sie belastet …?«
Valentina starrte die beleibte Botschafterin ertappt an. Mittlerweile war man in der Unterkunft Molls angekommen.
»Was kann ich für Sie tun, Botschafterin?«, versuchte Valentina Zeit zu gewinnen.
»Mädchen, machen wir uns nichts vor, wie wollen beide dasselbe«, bekam sie zur Antwort.
»Und das wäre?«, lotete die Sicherheitsberaterin aus.
»Hier raus!«, brachte es die Patientin auf den Punkt.
Nein, von einem bleibenden Schaden kann ich bei der Botschafterin nichts spüren , dachte sich Valentina bei ihrem Blick auf die gewinnend lächelnde Lady. Sie hat von ihrer Menschenkenntnis und Auffassungsgabe nichts eingebüßt und wirkt voller Tatendrang , erkannte sie weiter.
»Schätzchen, ich will raus aus dieser Tretmühle von Krankenhaus. Und das so schnell wie möglich. Ich habe Wichtigeres zu tun! Und was ich für meine Gesundheit tun muss, das kann ich draußen besser als hier drinnen. Hier versauern wir nur. Ich hier zwischen diesen Mauern, und Sie in ihrem Job. Wir brauchen einander«, schlussfolgerte Moll.
Seit langer Zeit war Valentina mal wieder sprachlos und fand keine rechten Worte. Ihre Gedanken überschlugen sich. Will ich wirklich dasselbe wie die Botschafterin? Eigentlich will ich die Wahrheit hinter all diesen Machenschaften Rudenkos herausfinden. Und das kann ich doch besser, wenn ich erst einmal meinen Job beibehalte. Aber wie viel hat Rudenko von den Machenschaften gewusst? Wer zieht hier wirklich die entscheidenden Fäden? Könnten die Genetics wirklich so größenwahnsinnig geworden sein, bereits jetzt, so kurz nach ihrer gerade erst errungenen Unabhängigkeit, nach der Macht in den Solaren Welten zu greifen? Ist Diaz der Strippenzieher, oder ist er selbst nur Marionette? Oder übersehe ich bisher einfach die entscheidende Größe? Eine Unbekannte, die alles aufhellen wird?
Die Diplomatin hatte Valentina beobachtet und setzte jetzt noch einen drauf. »Ich sehe, Sie denken in dieselbe Richtung wie ich. Und zum Denken habe ich hier wahrlich genug Anlass und Gelegenheit« hakte sie lauernd nach. »So idiotisch können die Genetics nicht sein. Und auch wenn ich Ihren Chef nicht ausstehen kann, auch ihn halte ich nicht für so einfältig.«
»Rudenko ist ein Hardliner«, wagte sich Valentina aus der Deckung, »aber er will immer nur das Beste für die Menschheit. Nicht für sich. Eine starke Position würde er für sich nur dann in Anspruch nehmen, wenn er auch glaubt, damit die Solaren Welten zu stärken.«
Moll sah sie warmherzig und zugleich wach an. »Reden Sie weiter«, machte sie Mut zur Ehrlichkeit.
»Der Ratvorsitzende ist schlau, aber nicht verschlagen. Das ist nicht seine Masche. Er ist gradlinig: Das Beste für die Menschheit ist eine starke Position – und das pronto und am liebsten ohne Umwege. Die Befreiung Diaz’ dagegen, das gesamte Ränkespiel, nein, da muss etwas anderes, da muss ein anderer dahinterstecken«, sagte Valentina nachdenklich.
»Mädchen, denken Sie nicht, ich merke nicht, wie Sie sich quälen?« Die Stimme der Botschafterin klang jetzt mütterlich. »Sie wollen weder der Laufbursche Rudenkos bleiben, noch halten Sie die Ungewissheit länger aus. Sie wollen wissen, was Sache ist und nicht mehr zwei Herren dienen. Also was hält Sie noch?« Moll lachte sie nun geradezu verschwörerisch an. »Frau Agentin – oder sollte ich mich so täuschen?«
Der Blickkontakt besiegelte den Pakt der so ungleichen Frauen. Sie würden einander helfen so gut es nur ging und dem anderen alle Unterstützung zuteil werden lassen, die zu erlangen war.
*
Goethe-Krater, Merkur
Peter Pahl lehnte sich in seinem Ohrensessel zurück. Sein Besucher war nun wieder in seiner Zelle. Doch wieder hatte er Diaz keine neuen Erkenntnisse abringen können. Nichts Konkretes war bei dieser als Verhör getarnten Teestunde herausgekommen. Dafür elektrisierte ihn umso mehr die Verhandlungsoffensive des ehemaligen Lord Managers. Sollte sich hier im subplanetaren GalAb-Gefängnis tatsächlich eine Wende anbahnen? Eine Wende zu einem neuen Verhältnis zwischen Menschen und Genetics?
Peter Pahl scheute sich, diesen Gedanken weiterzuführen. Er erhob sich betont langsam und schlenderte zu seinem Schreibtisch. Er brauchte eine Verschnaufpause. Nach all den mühseligen Sitzungen mit dem Staatsgefangenen war nun entweder ein großer
Weitere Kostenlose Bücher