Sternenfaust - 092 - Widerstand
gebeten.
Vijay hielt den Atem an und versuchte, freundlich auszusehen und seine Überraschung nicht zu zeigen. Das Verhältnis der Solaren Welten zu den Genetics war, seit dem sich die Drei Systeme als unabhängig erklärt hatten, gelinde gesagt, etwas abgekühlt. Faktisch bestanden außer ein paar Handelsbeziehungen und familienbedingten Transporten so gut wie gar keine Kontakte mehr.
Das wie immer adrett gekleidete Oberhaupt der Drei Systeme ließ ein Lächeln erstrahlen, das auf Gustafsson schon fast bedrohlich wirkte. Wie ein Raubtier! , durchfuhr es ihn. Ein Raubtier, das entspannt an seinem Schreibtisch saß, die Hände gefaltet vor sich, die Flagge der Drei Systeme hinter sich und mit entspanntem Gesichtsausdruck.
»Ich grüße Sie, Mister Gustafsson. Ich hoffe, ich störe Sie nicht gerade bei irgendetwas Wichtigem? Die Verbindung war einen Moment lang in der Warteschleife und es liegt mir fern, Sie von der Arbeit abzuhalten.«
Gustafsson straffte seine Haltung, schlug die Augen nieder und räusperte sich. Zeig nicht zu viel Respekt! , ermahnte sich das für die Außenpolitik zuständige Ratsmitglied. Sonst frisst dich dieser Typ mit Haut und Haaren! »Lordmanager!« Seine Stimme klang fest und gar nicht überrascht. Und außerdem freundlich.
Gut.
»Was für ein seltenes Vergnügen mit Ihnen zu sprechen. Was verschafft mir diese Ehre?«
Canetti behielt sein freundliches Gesicht bei und zeigte keine erkennbare Reaktion auf die leichte Spitze des Ratsmitgliedes. »Ich weile hier gerade im Hauptsitz der Systemverwaltung von Epikur. Wichtige interne Gespräche, Sie verstehen?«
Vijay Gustafsson nickte wissend. »Und das heißt …?«
»Die Drei Systeme haben soeben beschlossen, Ihnen ein Dokument auszuhändigen. Sie dürften es mit einem gesonderten Datenstrom in diesem Moment erhalten.«
Auf dem Touchscreen erschien ein weiteres Icon eines eingehenden Datentransfers. Als der Download abgeschlossen war, öffnete sich die Textdatei selbsttätig.
Gustafsson las die Überschrift laut: »Offizielle Stellungnahme der Drei Systeme zum Putschversuch von Jurij R. Diaz und der PFS-Virus-Krise.« Seine Augen richteten sich wieder auf das Transmissionsfenster. Er konnte seine Aufregung jetzt nicht mehr verbergen. Das konnte ein wichtiger Schritt im politischen Dialog mit den Menschen der Genetiker-Förderation sein. Die erste wirkliche Annäherung nach der Zwangsausweisung nicht genoptimierter Menschen aus den Drei Systemen und der Autonomie-Erklärung vor fast zwei Jahren! Abgesehen davon: Die Genetics wollen sich zum Thema PFS äußern? Das war innenpolitischer Sprengstoff! »Ist das Ihr Ernst?«
Der Lordmanager schien gelassen wie immer. »Sie sollten vielleicht erst ein wenig weiterlesen. Ich würde Wert darauf legen, dass wir beide das erst unter vier Augen besprechen, bevor Sie heute nachmittag mit dem Untersuchungsausschuss zusammentreffen, der die Akte Rudenko behandelt.«
Gustafsson tat wie ihm geheißen. Und stutzte. »Was soll das?«, knurrte er sofort.
Das File war leer. Bis auf die Überschrift fand sich nichts in dem Dokument.
Canetti ließ ein trockenes Lachen hören. »Der Rest des Dokumentes ist verschlüsselt. Ich versichere Ihnen, der Inhalt ist echt. Ein fast hundertseitiges umfassendes Dossier zu den Vorgängen, die die Solaren Welten in letzter Zeit so gebeutelt haben und wie genau mein Vorgänger Jurij R. Diaz, das PFS-Virus, und – was für Sie besonders interessant sein dürfe – der Ratsvorsitzende Gregor Rudenko in das Geschehen hineinpassen.«
Vijay Gustafsson ahnte, was nun folgen würde und nahm die Frage voraus. »Was wollen Sie?«
Wynton R. Canetti blickte das Ratsmitglied ernst an. »Sie wissen: Alles hat seinen Preis. Und den, den wir fordern, werden Sie und der Hohe Rat hoffentlich für angemessen halten …«
»Was wollen Sie?«, wiederholte Gustafsson und hoffte, dass seine Stimme nach wie vor fest und ruhig klang.
»Liefern Sie den Ex-Lordmanager Jurij R. Diaz an uns aus. Dann kommen wir ins Geschäft …«
*
Transalpha
Dr. Ashkono Tregarde saß alleine auf der Krankenstation der STERNENFAUST und betrachtete eingehend den Bildschirm vor ihm. Ohne es zu merken griff er nach dem mit einem koffeinhaltigen Syntho-Drink gefüllten Becher neben ihm auf dem Tisch, nahm einen tiefen Schluck und setzte das Trinkbehältnis ebenso unbewusst wieder ab. Nicht nur das gedämpfte Licht und seine zunehmende Müdigkeit vermittelten ihm, dass es bereits spät in der
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