Sternenfaust - 093 - Auge des Feindes
selben Moment zur Seite, als Manduur schoss. Nanla Kona stürzte tot zu Boden.
»Das war zu erwarten«, stellte Manduur trocken fest und steckte seine Waffe wieder ein. »Sie wollte nur ihr eigenes Leben retten. Sie ist eine Candovan durch und durch und hätte niemals geduldet, dass ein Fremder in die Rolle des Patriarchen des Hauses schlüpft und diesem Hohen Haus vorsteht, egal wie sehr sie ihren Onkel auch gehasst hat.«
»In der Tat«, stimmte Siron zu und fügte tonlos hinzu: »Ich denke, Sie werden gar keinen Unfall für den alten Drenshaan arrangieren müssen, Hattis. Wir haben hier das perfekte Szenario. Meine Nichte hat versucht, mich zu töten, und mein getreuer alter Diener hat sich heldenhaft dazwischen geworfen und den tödlichen Stich mit seinem Körper abgefangen, der für mich bestimmt war. Er ist als Held gestorben.«
Hattis lächelte flüchtig, nahm den Talnai auf, wobei sie peinlich darauf achtete, ihn nur mit dem Zipfel ihres Gewandes zu berühren, um nicht ihre eigenen Spuren darauf zu hinterlassen und stieß ihn ohne zu zögern dem immer noch bewusstlos am Boden liegenden Diener in die Kehle, wo sie ihn stecken ließ.
»Manduur, rufen Sie die Sicherheitswachen«, ordnete Talas mit unbewegter Miene an. »Und danach schaffen Sie Rendoy hier heraus. Alles weitere nach Plan.«
»Jawohl, mein Triumvir.«
»Glauben Sie, dass dieser Datenspeicher tatsächlich wichtige Informationen für uns enthält?«, fragte Hattis.
»Das wird sich zeigen. Unsere Spezialisten werden den Code entschlüsseln, und danach werden wir es wissen.«
Sie nickte und folgte Manduur zur Tür hinaus.
Siron Talas blieb allein zurück. Er fragte sich für einen Moment, ob all das Blut, das jetzt an seinen Händen klebte, die Sache wirklich wert war.
Er blickte auf die beiden Leichen hinab, die vor ihm auf dem glänzenden Boden aus buntem Granit lagen. Warum hatte er sich nur den Verschwörern angeschlossen? Was unterschied ihn noch von den Machtmitteln der Triumvirn? Er wusste es nicht.
Ich kann nur hoffen, dass unser Plan gelingt. Wenn der Zweck die Mittel heiligt, und ich kann nur hoffen, dass er das tut, dann haben wir uns verdammt um der Zukunft willen.
*
Dagis Rendoy aus dem Hohen Haus Candovan empfand außer einer profunden Wut nur maßlose Empörung darüber, dass man es gewagt hatte, ihn anzugreifen, zu betäuben und hier einzusperren – wo immer »hier« war. Ihn, den mächtigsten Mann des gesamten Reiches von Ebeem! Natürlich würden die Verbrecher für diese Ungeheuerlichkeit aufs Härteste bestraft werden. Er würde sie, ihre gesamten Familien und jeden ihrer Helfershelfer hinrichten lassen.
»Was immer Sie sich dabei gedacht haben«, sagte er zu den beiden Männern, die ihn mit gezogenen Waffen bewachten und ihn keine Sekunde aus den Augen ließen, »Sie kommen damit nicht durch! Wenn Sie mich gehen lassen, garantiere ich Ihnen Straffreiheit.« Woran er sich selbstverständlich nicht halten würde.
Doch die beiden Männer verzogen nur verächtlich die Gesichter und schwiegen. Ihre ganze Haltung drückte einen ungeheuren Hass aus, und Rendoy konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie ihn am liebsten auf der Stelle exekutiert hätten. In einem von ihnen erkannte er jetzt sogar einen der Pfleger seiner Kampfdrachen. Bevor er aber noch etwas sagen konnte, wurde die Tür zu seinem Gefängnis geöffnet, und hereintrat – Dagis Rendoy.
Rendoy starrte sein Double verblüfft an. Der Mann war tatsächlich ein perfektes Abbild seiner selbst. Er besaß nicht nur seine Gesichtszüge, sondern auch seinen Körperbau und bewegte sich auf genau dieselbe Art wie er. In diesem Moment dämmerte Rendoy die Erkenntnis, dass sein Schicksal besiegelt war und er wahrscheinlich nicht mehr lange leben würde. Trotzdem versuchte er die Contenance zu wahren.
»Das haben Sie sich ja fein ausgedacht«, höhnte er. »Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie damit durchkommen? Ich bin Dagis Rendoy aus dem Hohen Haus Candovan, und niemand kann mich ersetzen.« Er maß den anderen von oben bis unten voller Verachtung. »Erst recht kein einfacher Mann aus dem Volk. Sie werden sich in kürzester Zeit als der Betrüger verraten, der Sie sind.«
»Das glaube ich kaum«, antwortete sein Double. Dem Gefangenen lief es kalt den Rücken herunter. Sogar die Stimme war identisch mit seiner eigenen.
Er schnaufte verächtlich. »Seien Sie sich da nur nicht zu sicher, wer immer Sie sind. Mein Protokollführer wird der
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