Sternenfaust - 094 - Wandlungen
stand ein Wesen, dass aussah wie ein nackter Mensch. Der Sand wirbelte nur noch an einigen Stellen seiner Haut, dort, wo sich bei einem wirklichen Menschen Haare befunden hätten und an den Gelenken. Doch auch dort beruhigten sich die Sandkörner und schienen schließlich ihren endgültigen Platz zu finden.
Yngvar MacShane wagte immer noch nicht zu denken. Er konnte nur zu dem Geschöpf aus Sand hinstarren und es bewundern. Es war perfekt.
Das Wesen sah erst Ildiko Pangata an und dann ihn.
Es war von durchschnittlicher Größe, schlanken Gliedern und mit fein herausgearbeiteten Körperformen und Muskeln, und besaß ebenmäßige, ja, schöne Gesichtszüge. Das Auffälligste an diesem Gesicht waren die pupillenlosen Augen, rein schwarz, die keinen Fokus zu haben schienen und Yngvar MacShane dennoch ansahen.
Nur ihn.
Niemanden sonst.
Yngvar MacShane glaubte, in der Tiefe des Blickes, der sich jetzt auf ihn richtete und der ihn jetzt – ja, zu erkennen schien, ertrinken zu müssen und rang nach Luft. Das Geschöpf und seine Entstehung waren das wunderbarste, was er je im Leben zu sehen bekommen hatte und angesichts dieses Wunders schien es ihm frevelhaft, überhaupt einen Gedanken zu fassen.
Die Schöpfung des Menschen , schoss es MacShane dennoch unwillkürlich durch den Kopf. So muss Adam ausgesehen haben, kurz nachdem Gott ihn aus dem Staub der Erde geschaffen hat.
Wie schade, dass Dana das nicht sehen kann.
*
Captain Dana Frost ging der Schreck durch Mark und Bein. Er radierte für Sekundenbruchteile alles Denken in ihr aus, sie rang nach Luft und sie versuchte beinahe panisch, die eiskalte Klammer, die sich in diesem Moment um ihr Herz, ihr Denken und ihre Kehle gelegt hatte, abzuschütteln.
Laut erklang der rote Alarm.
Wieder umfasste kalte Angst Danas Herz. Warum kommt der Alarm erst jetzt? Ein Déjà-vu? Eine Vorahnung? Doch dann war der schreckliche Augenblick plötzlich vorbei und sie konnte sich wieder auf ihr Schiff und die Meldungen des Hauptschirms und ihrer Crew konzentrieren.
»Captain Frost, die FEUERMEER befindet sich nach unseren Sensorendaten ganz in der Nähe!«, meldete Ashley Briggs. »Sieht so aus, als wäre sie in einen Standardorbit geschwenkt!«
Dana erhob sich und stand aufrecht, die Hände auf den Rücken gelegt, auf der Brücke, wie ein Fels in der Brandung. Die Stimmung der Crew wurde sofort spürbar ruhiger. »Verstanden, Lieutenant. Maschinenraum, Lebenserhaltung auf ein Minimum schalten. Lieutenant Santos, Sie halten die STERNENFAUST in Habacht-Stellung, klar? Ich will hier sofort verschwinden können, falls nötig.«
Der erste Offizier van Deyk beugte sich zu Dana hinüber, die anscheinend seelenruhig auf den Hauptschirm sah, auf dem wieder nur die schematische Darstellung der Position der STERNENFAUST zu sehen war. Das dunkle Bild mit den dünnen Lichtfingern der Scheinwerfer war auf ein kleines Fenster rechts unten vor dem Hauptschirm verbannt worden. Santos und Briggs hatten sich entschieden, dass eine schematische Darstellung weniger deprimierend war als der Blick in die Dunkelheit.
Van Deyk sah das Profil seiner Vorgesetzten an. Ihr Gesicht war entspannt, doch ihre Hände waren so fest ineinander verschränkt, dass die Knöchel weißlich hervortraten.
»Alles in Ordnung, Captain«, sagte er so leise, dass sie es gerade so hören konnte. »Noch ist nichts passiert. Es geht sicher alles gut aus.«
Ihre Stimme klang gepresst und bei weitem nicht so klar und ruhig wie die, in der sie noch vor einer halben Minute ihre Anweisungen erteilt hatte.
»Ihr Wort in Gottes Ohr, I.O.«
*
Bruder William lag auf seinem Krankenbett und kämpfte mit seiner Wut.
Er wusste nicht, warum er sie eigentlich empfand. Es gab einen Winkel seines Gehirns, der ihm hartnäckig zuflüsterte, dass Doktor Tregarde recht hatte, ihn hier zu behalten und ihn an Denuur zu erinnern.
Doch was wollte der Arzt nur von ihm, warum hatte er so ein Geheimnis aus dem, was William sich bewusst machen sollte, gemacht? Nun gut, es gab Parallelen zwischen der Situation damals und der jetzigen, aber auch einen wesentlichen Unterschied: Er konnte nicht schlafen! Und – was wichtiger war – hier gab es keine mental hochbegabte Sammelintelligenz, die aus Myriaden winziger Spinnchen bestand!
Der Christophorer schnaufte ärgerlich und starrte in das langsam blinkende rötliche Alarmlicht über der Tür. Ich sollte auf der Brücke sein und meine Arbeit tun. Mein Zustand macht mich verrückt!
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