Sternenfaust - 103 - Das Heiligtum
die Logeintragungen der STERNENFAUST I aus dem Jahr 2250. Da hatte die Besatzung eine Begegnung mit einem Wesen, das sich und seine Art als ›Nerdai‹ bezeichnete. Für die Scanner der STERNENFAUST war es aber nur ein Asteroid mit metamorphen Fähigkeiten. Ich schätze, dass dieses Wesen wohl etwas Ähnliches sein könnte. In jedem Fall sollten wir die abgesprengten Stücke seiner, hm, Haut mitnehmen und sie genauer untersuchen.«
»Vor allem sollten wir hier verschwinden«, meinte Sorensen pragmatisch. »Wer weiß, ob nicht auch noch irgendwelche Verwandten von dem Ding in der Nähe sind und uns ebenfalls für Futter halten.«
»Ich glaube nicht, dass es uns für ›Futter‹ gehalten hat«, widersprach Costas. »Da es hier kein organisches Leben gibt, wird es wohl eine andere Nahrungsquelle haben.«
Doch Sorensen hörte ihm schon nicht mehr zu. Er fuhr zu Juan de Pento herum, der immer noch dort auf dem Boden hockte, wohin das Steinwesen ihn geschleudert hatte. »Und Sie, Marine! Haben Sie da unten etwas verloren? Oder funktionieren die Servogelenke Ihres Panzeranzugs nicht mehr?«
De Pento sprang förmlich auf die Füße und salutierte. »Sir! Nein, Sir!«, schmetterte er so laut, dass die Lautsprecher in den Raumhelmen der Wissenschaftler beinahe klirrten.
»Dann machen Sie sich gefälligst nützlich! Eskortieren Sie die Zivilisten zum Shuttle, danach Geräte einsammeln und Abmarsch!«
»Sir! Jawohl, Sir!«
Solomon Winterstein trat zu Mary Halova und fasste sie sanft am Arm. Selbst durch den Raumanzug hindurch konnte er fühlen, dass sie zitterte.
»Ist es wirklich weg?«, fragte sie schließlich zaghaft. »Mein Gott, was war das für ein Ding?«
»Eins der Geheimnisse dieser Welt«, antwortete der Wissenschaftler ruhig, obwohl auch ihm der Schrecken noch in den Knochen steckte. »Und es war die ganze Zeit hier, aber wir haben es nicht gesehen.«
»Was?«, fragte die Sprachwissenschaftlerin verständnislos und folgte ihm und den Marines jetzt zum Shuttle. Sie wollte nur noch so schnell wie möglich weg von hier, oder doch zumindest erst einmal in die relative Sicherheit der Fähre. Ihr Herz raste, sie hatte Angst und war nicht in der Lage, klar zu denken.
»Sehen Sie, Mary, dieses Wesen wird von unseren Scannern nicht als Lebewesen registriert, sondern nur als ein Haufen Chemikalien und ›Gestein‹«, erklärte Winterstein. »Und doch lebt es und denkt offensichtlich auch. Zumindest instinktiv wie ein Tier. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass das Geheimnis der Heiligtümer, nach dem wir suchen, auch direkt vor unseren Augen ist und wir nur nicht in der Lage sind, es in Ermangelung der dazu geeigneten Technik erfassen zu können.«
Mary Halova schnaufte. »Wissen Sie was, Solomon?«, sagte sie gepresst. »Das ist mir im Moment scheißegal!«
*
Turanor und die Seinen, die ihn zum Eranaar auf Zash’tuun begleiteten, empfingen von den Zurückgebliebenen eine neue Welle von Besorgnis.
Die Anderen haben auch Eranaar auf Naru’tuun betreten und das Mok’tiia geweckt, das dort ruht. Sie bringen alles durcheinander. Sie müssen fort und dürfen nie zurückkehren.
Auch Turanor hatte das Erwachen des Mok’tiia gespürt und teilte die Meinung der Seinen, dass die Fremden schnellstmöglich von hier vertrieben werden mussten. Zwar war er der Überzeugung, dass sie keine bewusst bösen Absichten hatten; das hatte er damals bei seiner Gedankenverschmelzung mit dem Einzigen von ihnen gefühlt, mit dem er hatte kommunizieren können. Doch das, was sie in ihrer Unwissenheit anrichteten, war nicht weniger schlimm.
Allerdings war er sich darüber im Klaren, dass es nicht leicht werden würde, sie dazu zu bringen, Eranaar zu verlassen und noch schwieriger, sie an einer Rückkehr zu hindern. Natürlich konnten die Seinen sie mit Gewalt vertreiben, aber das war nur eine Notlösung und außerdem etwas, das nicht nur ihm widerstrebte, sondern den meisten der Seinen. Er konnte nur hoffen, dass die Entscheidung, die er und die Seinen diesbezüglich getroffen hatten, die richtige war.
Andernfalls könnte der Besuch der Anderen sehr schnell zu einer Katastrophe führen.
*
Als Mary Halova Stunden später das Astrolabor an Bord der STERNENFAUST betrat, saß Solomon Winterstein bereits an seiner Station und arbeitete konzentriert an der Auswertung der gesammelten Daten. Er blickte auf, als sie eintrat und lächelte ihr entgegen.
»Fühlen Sie sich wieder besser?«, fragte er
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