Sternenfaust - 107 - Spion auf Ganymed
er hätte nicht einmal ein Problem damit gehabt, sie zu töten, wenn es sein müsste. Dabei hatte es während der vergangenen fünfzehn Jahre, in denen er »geschlafen« hatte, Zeiten gegeben, in denen er sich fragte, ob er nicht wenigstens versuchen sollte, etwas für sie zu empfinden; nur für den Fall, dass Ebeem seine J’eberde-Agenten vergessen haben sollte. Doch das war unmöglich, denn die bedingungslose Loyalität zu Ebeem und seiner Regierung war ihm und den anderen ebenso in die Gene gepflanzt worden wie die Unfähigkeit, echte Zuneigung zu wem auch immer empfinden zu können. Er war nichts als kalter Verstand, Pflichterfüllung und Treue zu Ebeem.
Und jetzt hatte er eine neue Aufgabe zu erledigen.
*
Wanda Ndogo ließ ihren Blick zum gefühlten tausendsten Mal über den reich gedeckten Tisch gleiten, an dem der junge Raisa mit Satren-Nor, Daren-Kan und Orlan-Gal in auf ihre Körperformen abgestimmte Spezialsesseln Platz genommen hatte, um sich zu vergewissern, dass sich wirklich nichts darauf befand, an dem die Kridan Anstoß hätten nehmen können. Selbstverständlich war bei der Dekoration auf Federn jeder Art verzichtet worden, sogar auf Nachbildungen aus Kunststoff, und bei den Gerichten befand sich nicht eines, das Geflügelfleisch oder gar Eier enthielt. Außerdem hatte sie der Küche vorgeschrieben, welche Gerichte sie zuzubereiten hatte, von denen sie wusste, dass sie den Kridan schmeckten.
Zumindest einem Kridan haben sie geschmeckt , dachte sie immer noch leicht verbittert. Doch ausgerechnet der ist nicht hier. Dabei hätte ich gerade bei der Zusammenstellung des Menüs seine Hilfe gebrauchen können!
Zu allem Überfluss hatte man sie direkt neben den Raisa gesetzt, der, wie sie inzwischen wusste, Seran-Pakor hieß, aber natürlich ausschließlich mit »Heiligkeit« angeredet werden musste. Sie war sich durchaus der Ehre bewusst, die das darstellte und gab sich die größte Mühe, ihrer Rolle als seine Tischdame gerecht zu werden. Immerhin schien der junge Kridan selbst kein Problem damit zu haben. Im Gegenteil ließ er sich von ihr beraten, welche Speisen er probieren sollte und wollte am liebsten alles kosten, was die Menschen aßen.
Dazu stellte er unzählige Fragen über die Tischsitten, die ihn zu faszinieren schienen und die Wanda geduldig beantwortete, obwohl sie manchmal selbst keine schlüssige Antwort wusste. Warum zerkleinerte man große Stücke mit dem Messer auf dem Teller, statt sie vorher schon zu schneiden, damit der Teller nur noch leergegabelt werden musste? Warum lagen Stoffe auf dem Tisch – Tischdecken –, die doch beschmutzt werden konnten und hinterher wieder gesäubert werden mussten, wo es doch viel effektiver war, eine Tischplatte einfach abzuwischen? Was gefiel den Menschen an dem bunten Unkraut – Blumen – so sehr, dass sie den Tisch zwischen den einzelnen Gedecken damit voll stopften? Und warum …
Immerhin wurde auf diese Weise elegant das Thema »Technik der Toten Götter« vermieden, wofür Wanda überaus dankbar war. Denn über allem schwebten immer noch die allgegenwärtigen Kameras der Medien und übertrugen alles live in jeden Haushalt, der einen entsprechenden Sender eingeschaltet hatte. Wahrscheinlich war es Einbildung, doch sie hätte schwören können, dass ihre Anzahl immer größer wurde.
Seran-Pakor schob sich jetzt einen Bissen Gemüse in den Mund, den er zuvor in eine grüne Soße getaucht hatte, während Wanda dazu ansetzte, seine letzte Frage zu beantworten. Mit einem erstickten Laut keuchte der junge Kridan unvermittelt auf. Seine Augen traten aus den Höhlen hervor, er würgte und rang nach Luft.
Wanda war für einen Moment wie gelähmt und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Das taten dafür die Kridan umso schneller. Daren-Kan und die Leibwächter, die unmittelbar hinter dem Stuhl des Raisa standen, rissen ihn aus seinem Sitz, nahmen ihn schützend in die Mitte und zogen ihre Waffen.
»Die Waffen weg!«, rief Satren-Nor augenblicklich. »Bewahren wir doch Ruhe! Was ist denn überhaupt geschehen?«
»Die Schnabellosen haben versucht, den Raisa zu vergiften!«, beschuldigte Daren-Kan die Menschen.
»Das haben wir natürlich nicht«, widersprach Jasper Mitchell ruhig und wandte sich an Seran-Pakor. »Heiligkeit, was für Beschwerden haben Sie?«
Der junge Kridan hustete immer noch und japste nach Luft. »Brennen«, stieß er zwischen zwei gequälten Atemzügen hervor und deutete mit der Kralle auf seine Kehle.
Doch
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