Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
zudem einiges von ihrer Pein. Vorsichtig richtete der Mönch sich auf, klopfte sich den Staub von der Kleidung und humpelte ein weiteres Mal zu der Stelle an der Wand des Kraters, die ihm für einen Aufstieg am geeignetsten erschienen war. Es gelang ihm nahezu mühelos. Zwar musste er noch immer die Zähne zusammenbeißen und darauf achten, den rechten Knöchel nicht zu überanstrengen, doch kam er nun deutlich besser und problemfreier voran als zuvor. All sein bergsteigerisches Geschick aufwendend und jeden noch so kleinen Felsvorsprung, jede Unebenheit im Gestein nutzend, schaffte es William Beaufort schließlich vom Boden zum Kamm des Kraters.
Atemlos vor Erschöpfung blieb er liegen, nachdem er sich aus dem Loch gehievt hatte, blickte in den Himmel von Sirius III und lauschte dem Blut, das sein auf Hochtouren pumpendes Herz rauschend durch seine Ohren und den restlichen Körper schoss. Es stand für das Leben, für Kraft und Möglichkeiten. Selten zuvor hatte der Christophorer so einen schönen Klang vernommen.
Nach einer Weile hatte sich William soweit erholt, dass er es erneut wagen konnte, aufzustehen und einige Schritte zu machen. Es gelang ohne größere Probleme. Ein Blick auf die Sauerstoffanzeige seiner Ausrüstung sagte ihm, dass er noch knapp vier Stunden hatte, um Hillarytown zu erreichen – wenig, aber wenn er haushielt und sich früh genug in die Täler der Planetenoberfläche zurückzog, konnte er vielleicht nahe genug an die Siedlung herankommen, um bemerkt und abgeholt zu werden, bevor ihm die Luft ausging. Dann hätte er die begonnene Pilgerfahrt zumindest ordentlich beendet. Es war die beste Alternative. Es war sein Weg.
William drehte sich um und ging los.
*
»Ist alles in Ordnung, Lieutenant?«
Emma lächelte. »Natürlich, danke. Ich bin nur ein wenig erschöpft.«
Schwester Kirchhoff sah nicht überzeugt aus. »Sind Sie sicher? Kein Schwindel, keine Nervosität? Die Anzeigen Ihrer Monitore verzeichnen einen erhöhten Puls und eine angestiegene Körpertemperatur. Wenn Sie wünschen, lasse ich Ihr Blut untersuchen. Auch die Botenstoffe …«
»Ich glaube, ich habe einfach etwas Falsches gegessen«, wehrte Emma lässig ab. »Alles okay.«
Die Pflegerin blickte ihr einmal tief in die Augen, dann nickte sie beruhigt. »Wenn sich Ihr Zustand ändern sollte – oder Sie auch nur das Gefühl haben, dem wäre so –, melden Sie sich sofort, ja? Die neue Dosierung Ihrer Medikamente ist unerprobt, da kann jede Reaktion des Körpers aufschlussreich sein.«
»Das werde ich«, log Emma freundlich und lehnte sich in ihren Kissen zurück.
»Wissen Sie, was? Ich mache Ihnen mal einen Tee, der beruhigt den Magen.« Als Kirchhoff den Raum verließ, sah Emma durch die offen stehende Flurtür den bewaffneten Wachmann, den McAllister vor ihrem Zimmer positioniert hatte, als sei sie eine Gefangene, die unter allen Umständen unter Kontrolle gehalten werden musste. »Eine simple Vorsichtsmaßnahme«, hatte der Chefarzt es genannt, als er ihr den Kollegen vor wenigen Stunden vorgestellt hatte, »die nur zu Ihrem Schutz dient.«
(LÜGE)
Manchmal fragte sich die Pilotin, wer hier eigentlich vor wem geschützt werden sollte. Aber das waren Gedanken, die sie nicht laut aussprechen durfte, das wusste sie. Nicht, wenn sie noch Hoffnung hatte, ihre Pilotenzulassung jemals wieder zu bekommen.
Gott, wie sie diese Zulassung brauchte! Sie sehnte sich nach dem Gefühl, das sie ergriff, wann immer sie in ihrem Cockpit saß. Nichts, was sie je erlebt hatte, konnte sich damit messen. Sie war Pilotin, das war ihr Leben, das ganz allein.
(UND SIE WOLLENES DIR NEHMEN.)
Und niemand würde es ihr (NEHMEN ) verbieten, wieder in den Beruf zurückzukehren, der ihr gefiel. Der sie erfüllte. Niemand. Sie wollten, dass sie gesund wurde? Gut, dann würde sie eben gesund werden. Aber das würde nach ihren Regeln geschehen.
Emma atmete tief durch, um ihre Gedanken zu ordnen und sich zu beruhigen, und strich sich über die Stirn, warme Finger auf einer schweißnassen Fläche. War das so heiß geworden, oder lag das an ihr? Wollten sie ihre Krankheit etwa ausschwitzen? Lachhaft.
Vielleicht würde ihr ein Spaziergang gut tun – ein wenig Wasser im Gesicht, ein wenig Bewegung.
Mit einem leisen Seufzer hievte Emma sich aus dem Bett, schlüpfte in ihre Hausschuhe und den weichen Bademantel, und trat hinaus auf den Flur. »Ich verschwinde kurz, muss mal für kleine Patientinnen«, sagte sie dem (VERRÄTER ) Wachmann in
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