Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
es ist sicher, dass damit alles stimmt? Dass Emma nicht wieder Schaden nimmt?«
»Sicher ist so etwas nie, Miss Gudmundsdottir«, sagte McAllister sanft und ohne sich zu ihr umzudrehen. »Dies ist nach wie vor eine experimentelle Behandlung, da sind Rückschläge und unerwartete Nebenwirkungen nie ganz auszuschließen. Aber Dr. Kremer versichert mir, aus den gemachten Fehlern, wenn Sie so wollen, gelernt zu haben. Jetzt sollte alles reibungslos funktionieren.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, sagte Frida und schenkte ihrer optimistisch lächelnden Freundin abermals einen sorgenvollen Blick.
*
Die Ewigkeit hatte einen Namen: Schmerz. Er war in Williams Bein, in seinem Kopf, in seinen Händen. Und er saß auf seiner Schulter, während die Stunden verstrichen und das Licht des Tages am Rand des Kraters weiter wanderte, und flüsterte ihm Dinge ins Ohr, die seine Verzweiflung schürten und seine Sorgen vergrößerten. Dinge wie: Du wirst hier sterben. Oder: Niemand kann dich rechtzeitig finden. Du bist tot.
Letzteres, so war sich William allmählich sicher, obwohl ihn diese Überzeugung selbst erschreckte, war nicht einmal die schlechteste Alternative. Dann hatte wenigstens die Pein ein Ende. Und überhaupt: War er es nicht gewesen, der sich den Tod in den vergangenen Jahren immer wieder herbeigesehnt hatte – in jenen seltenen Momenten spät nachts, wenn der Traum zu intensiv und das Grauen der Erinnerung und der Hilflosigkeit zu nah gewesen waren? Pass auf, was du dir wünschst , besagte ein irdisches Sprichwort, das William noch aus Kindertagen kannte. Denn du könntest es bekommen.
Den Großteil seiner Kindheit, nach dem Tod seines Vaters in der Schlacht gegen die Msssarrr, hatte William bei seinem Großvater im amerikanischen Bundesstaat North Carolina verbracht, und jetzt, als er in diesem elenden Krater auf Sirius III lag und auf den Tod wartete, musste er plötzlich an ein Lied denken, das oft in der Kantine des Ausbildungscenters seines Großvaters gelaufen war. Eine uralte Countrynummer, wie man sie in diesen Gegenden immer noch hörte. Garth Brooks.
»Some of God’s greatest gifts are unanswered prayers« , zitierte William den Refrain, dann lachte er leise. Mitunter waren die Gebete, die nicht erhört wurden, tatsächlich Gottes größte Geschenke. Dem Christophorer war, als habe er die Bedeutung dieses Satzes, den ein Mensch vor Hunderten von Jahren zu Papier gebracht und zu einem mehr oder weniger banalen Song gemacht hatte, erst jetzt wirklich begriffen.
William schüttelte den Kopf. Das ist weder der Ort noch die Zeit für morbide Gedanken, und erst recht nicht für Selbstmitleid. Ich muss versuchen, mich abzulenken. Vielleicht finde ich ja doch noch einen Ausweg aus dieser Misere.
Langsam schloss er die Augen und bemühte sich, trotz der stetig pochenden Schmerzen gleichmäßig und tief zu atmen. Der Schmerz ist nichts als Hintergrundrauschen , dachte er. Nichts als Lärm, den mein Geist jetzt ausschaltet. Aber ich werde ihn ausschließen. Ich bin ruhig. Ich bin stark. Ich bin in mir, und dort kann mir nichts etwas anhaben.
Tiefer und tiefer zwang er sich selbst in die Meditation. Es fiel ihm schwer, in dieser Lage zur Ruhe zu kommen – der Klostergarten im St.-Garran-Krater oder die Stille seiner Kammer waren deutlich bessere Orte für eine derartige Konzentrationsaufgabe –, doch konnte er es sich nicht leisten, darauf Rücksicht zu nehmen. Seine Uhr lief ab, wenn er weiter untätig blieb, und eventuell brachte ihm ja die Meditation eine neue Erkenntnis. Es wäre nicht das erste Mal.
Ich bin nicht hier. Ich bin im Klostergarten. Licht fällt durch die Büsche und Bäume, fällt auf mein Gesicht. Ich atme die frische Luft tief in die Lunge ein und spüre den fein geharkten Sand unter meinen Fingerkuppen, während ich mit der Hand über den Boden streiche …
Sanft ließ William seine Hände über den Kraterboden gleiten. Feiner Sand umstrich seine Finger, leicht wie eine Feder.
Ich öffne meinen Geist für die Empfindung, finde Halt in ihr. Ich … Moment mal – Sand??
Mit einem Mal aus seiner Konzentration gerissen, öffnete William die Augen und blickte überrascht zum Boden des Kraters, in dem er saß. Tatsächlich, da lag Sand. Eine dünne Schicht im schwindenden Sonnenlicht schimmernden Sandes bedeckte den Grund. Seltsam, dass sie ihm nicht schon vorher aufgefallen war.
»Vermutlich war ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um darauf zu achten«, murmelte er
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