Sternenfaust - 126 - Meuterei auf der STERNENFAUST (1 of 4)
überleben werden, nicht wahr?«
George Yefimov hüstelte. »Das ist in der Tat ein Problem, Sir. Wenn wir ruhen, werden wir mindestens die Hälfte der Leute verlieren, wenn wir weitergehen, nur einen Bruchteil.«
»Werden wir nicht!«, schnaubte Vincent. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, auch nur einen seiner Mannschaft im Stich zu lassen. »Jeder, der hinfällt und nicht mehr alleine gehen kann, soll sich bemerkbar machen. Wir werden die Personen stützen, tragen, was auch immer. Niemand bleibt zurück und erfriert in dieser verdammten Hölle, haben Sie das verstanden? Niemand!«
»Aye, Sir!«, meldete Alyawarry. Dana Frost nickte.
»Tun wir, was getan werden muss!«
Jeder Schritt wurde zur Qual. Vincent merkte, dass auch Kälte durstig machte. Alles in ihm brüllte nach Flüssigkeit. Nur einen Tropfen Wasser, und er wäre der glücklichste Mensch dieses Planeten. Nur einmal die Lippen am kühlen Nass laben, kristallblaue Frische kosten, nur einmal …!
Fast noch schlimmer als der Durst waren die Schmerzen, die seine Kehle ausdörrten. Ihm fiel auf, dass er seit Stunden nicht mehr geschluckt hatte. Seine Mundhöhle produzierte keinen Speichel mehr. Sein Schlund fühlte sich an wie rohes Fleisch.
Immer wieder vermischte sich die Schwärze der Dunkelheit mit dunklen Farbmustern, die sein Gehirn erzeugte. Quälende Übelkeit stieg in ihm hoch, und seine Füße fühlten sich an, als seien sie schwer wie Blei.
Alle stapften durch den Sand wie Maschinen. Wer stürzte und nicht mehr konnte, wurde getragen, wie Vincent es befohlen hatte. Ächzen und Schnaufen, immer wieder Flüche, gemurmelte Dialogfetzen und ständig stolperte jemand in der Dunkelheit.
Sie verfluchten die Nacht, sie verfluchten die Kälte, sie verfluchten den Durst, der sie regelrecht ausbrannte, sie verfluchten ihre schmerzenden Muskeln und die gruseligen Würmer.
Es war in dieser Finsternis kaum etwas zu sehen! Man war mit vierhundert anderen zusammen und fühlte sich trotzdem alleine.
Die Kälte drang ihnen durch die wenigen Kleidungsstücke, durch die Haut, kratzte und riss an ihren Knochen, bohrte sich in die Eingeweide und ließ den Schnodder unter den Nasen gefrieren. Vor ihren Mündern standen weiße Atemwolken und ihre Lungen brannten.
Vincent stöhnte bei jedem Schritt. Doch er wollte die Hoffnung nicht aufgeben. Er würde verdammt sein, wenn er so einfach aufgab. Irgendwann musste Rettung kommen. Er glaubte es nicht, nein, er wusste es! Sie hatten so vieles überlebt, da gab es keinen Grund, hier zu verrecken! Er wunderte sich, wie viel Kraft in seinem Körper steckte. Er war nicht mehr der Jüngste, aber er hielt mit und das machte ihn zufrieden.
Savanna Dionga hätte ihn einen Verrückten genannt und einmal mehr ihre Verwunderung darüber bekundet, wie sehr er sich vom Tintenpisser zum Kämpfer entwickelt hatte. Und wie war das geschehen?
Er hatte alle seine Sinne geöffnet, hatte sich klargemacht, dass es noch sehr viel zu lernen gab, und hatte sich weiter entwickelt, sogar verändert. Streitigkeiten mit dem Ratsvorsitzenden Jasper Mitchell oder mit Captain Frost kamen ihm nun vor wie Kleinigkeiten, wie unwichtige Bagatellen. Was zählte, war der Wille, etwas zu bewegen. Und wenn es der eigene Arsch war. Es kam darauf an, niemals aufzugeben. Dafür benötigte man einen klaren Blick und eine gehörige Portion Selbstdisziplin. Das war seine Waffe. Mit ihr war er unbesiegbar.
Ist das Fatalismus oder Stoizismus? , fragte er sich, während seine Füße durch den Sand rutschten wie durch lockeren Schnee. Nun, wenn es sein sollte, würde er eben Stoiker sein. Das war, fand er, keine schlechte Wahl. Er hatte sich viel zu oft über Kleinigkeiten aufgeregt und andere Menschen mit seinen Launen belästigt. Damit war jetzt Schluss.
Jemand holte schwer atmend auf und trat neben ihn. Es war Captain Frost. »Ich kann es noch immer nicht glauben. Warum hat Nickie Berger das gemacht, Sir? Und wie ist es ihr gelungen, so viele auf ihre Seite zu bringen? Im Moment müssen wir davon ausgehen, dass alle, die nicht hier auf dem Planeten ausgesetzt wurden, an der Meuterei beteiligt sind.«
Trotz der Qualen musste Vincent schmunzeln. Waren dies nicht genau die Fragen, auf die er gewartet hatte?
»Das habe ich mich auch gefragt, Captain Frost. Zumindest ein paar Minuten lang.«
»Und jetzt interessiert es Sie nicht?«
»Selbstverständlich interessiert es mich. Ich wäre ein schlechter Offizier, wenn mir das, was geschah, egal wäre. Und ich
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