Sternenfaust - 130 - Inferno auf Hegel III
Abenteuer verwickelt werden, habe ich recht?«
»Wohl nicht Woche für Woche«, antwortete Adric übertrieben treuherzig. Dann grinste er über das ganze Gesicht: »Aber vielleicht alle zwei Wochen!«
Jetzt glaubte Taglieri, ihn zu haben. »Da muss ich dich enttäuschen, mein Junge. Auf so einem Schiff herrscht mehr Routine, als du dir vorstellen kannst. Da geht es nicht so zu wie in den Weltraumgeschichten oder Simulator-Games.«
»Die haben mich nie sonderlich interessiert. Höchstens einige Klassiker aus der Moderne. Im Moment beschäftige ich mit den Palin-Thesen. Die sind Ihnen sicher auch ein Begriff.«
»Kann ich nicht behaupten«, gab Taglieri zu. Er ärgerte sich, dass es so klang, als würde er sich rechtfertigen.
Doch Adric fuhr unbeirrt fort. »Palin beschreibt das Bewusstsein als Muster innerhalb eines Informationsraums, wobei seiner Theorie nach ähnliche Muster eng aneinander angrenzen, selbst wenn sie räumlich und zeitlich weit voneinander getrennt sind. Darauf gründet sich die Vorstellung eines holografischen Universums, wonach jedes Bewusstsein in die Gesamtheit eingefaltet ist, und alle materiellen Vorgänge und Veränderungen somit eine ständige Folge von Ein- und Ausfaltung sind.«
Taglieri räusperte sich. »Nun, als Kommandant eines Schiffs hat man nicht immer die Zeit, sich mit den neuesten naturwissenschaftlichen Theorien zu beschäftigen, mögen sie auch noch so fesselnd klingen.«
»Verstehe«, antwortete Adric nickend. »Josef Palin ist allerdings seit 200 Jahren tot und seine Thesen sind zum Teil sogar schon falsifiziert. Ich lese ihn nur zum Spaß.«
Nun wurde Taglieri rot im Gesicht. Adric lächelte ihn fröhlich an, und das machte Taglieri nur noch wütender.
»Wenn du in so hohen Sphären schwebst«, begann der Kommandant der STERNENFAUST, »wird dir das meiste hier viel zu banal sein.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Adric. »Zumal Wissen und Verständnis oft weit auseinanderliegen können. Ich habe manchmal das Gefühl, je mehr ich weiß, umso weniger verstehe ich.«
»Und das glaubst du, hier zu finden? Verständnis?«
»Aber natürlich!«, antwortete Adric freudestrahlend.
»Verständnis von was?«
»Dieses Schiff. Es ist ein Kunstwerk, eine Verkörperung der höchsten Schaffenskraft der Menschheit. Es überwindet physikalische Grenzen. Es reist schneller als das Licht durch den Raum! Es begibt sich in andere Dimensionen. Und es beherbergt so viele unterschiedliche Menschen auf engem Raum. Es gibt Gläubige, die denken, der Mensch sei die Krone der göttlichen Schöpfung. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber die STERNENFAUST ist für mich die Krone der menschlichen Schöpfung. Die besten Antriebstechniken. Die stärksten Waffen. Die besten Experten. Wissenschaftler, Marines, Kommandanten. Es ist ein kunstvolles Konstrukt aus Organisation, Disziplin und Technik. Ich möchte mit eigenen Augen sehen, wie das funktioniert. Und ich möchte miterleben, wie ein solcher in sich perfekter Mikrokosmos von einem diktatorischen Herrscher befehligt wird.«
Bei all dem, was Taglieri die letzten Monate über sich hatte ergehen lassen müssen, war diese Lobrede über die STERNENFAUST fast ein wenig Labsal für seine Seele gewesen. Bis die unheilvollen Worte »diktatorischer Herrscher« im letzten Satz aufgetaucht waren.
»Diktatorischer Herrscher?«, rief Taglieri spöttisch. »Junge, was redest du da bloß?«
»Wie würden Sie sich denn bezeichnen? Wurden Sie gewählt? Kann man Sie abwählen? Was, wenn alle erkennen, dass Ihre Entscheidung falsch ist?«
»Ein Schiff wie dieses kann man nicht demokratisch kommandieren.«
Adric nickte. »Ist es nicht faszinierend? Ein Konstrukt, das in der Politik einhellig abgelehnt wird, wird auf einem Raumschiff uneingeschränkt befürwortet.«
»Und wegen dieser Erkenntnis bist du hier?«, meinte Taglieri, und er machte aus seiner Meinung keinen Hehl, dass er den Jungen für einen überintelligenten Spinner hielt, der jeglichen Realitätssinn verloren hatte und der über Alltägliches zu lange nachgrübelte.
»Ja«, antwortete Adric offenherzig. »Ich will sehen, wie ein solcher Mikrokosmos aus technischer und menschlicher Elite von einem einzigen Kommandanten kontrolliert wird. Wie Entscheidungen auch von solchen unhinterfragt befolgt werden, die selbst Koryphäen sind. Wie Menschen über sich hinauswachsen, während sie sich gleichzeitig unterwerfen.«
»Unterwerfen?«, wiederholte Taglieri abschätzig. »Das ist doch
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