Sternenfaust - 141 - Spuren im Weltraumfriedhof
Lieutenant Sobritzky.«
»Aye, Captain.« Die Navigatorin in ihrem Pilotensessel, der sie vorne und hinten wie eine kleine, zu den Seiten hin offene Kabine umgab, änderte den Flugvektor um wenige Grad.
Das Zentralschott zischte leise, und Vincent wandte den Kopf. Sofort wurde er ärgerlich, als er Lieutenant Mary Halova mit Adric im Schlepptau erblickte. Als Wissenschaftlerin gehörte sie nicht zur Brückencrew, und es war den Angehörigen anderer Abteilungen nur in dringenden Fällen gestattet, die Brücke ohne Anmeldung zu betreten.
»Lieutenant Halova, ich habe durchaus nicht vergessen, dass Sie mich zu sprechen wünschen.«
»Verzeihen Sie, Admiral, dass ich hier so reinplatze«, sagte die braun gelockte Mittdreißigerin und betrat den kurzen, breiten Steg, der die rückwärtige Galerie mit dem Kommandobalkon verband. »Seien Sie versichert, Admiral, dass ich mir diese Freiheit unter anderen Umständen nicht herausgenommen hätte.«
»Ich hätte mich schon an Sie gewandt, Lieutenant. Ich denke, dass selbst die speziellen Umstände, die Sie geltend machen wollen, Ihr inadäquates Auftreten nicht rechtfertigen«, grollte Vince.
Adric schob sich an die Seite von Mary Halova, schwieg aber. Möglicherweise erinnerte er sich an das Versprechen, das er Vince gegeben hatte.
»Ich bitte nochmals um Entschuldigung, Admiral. Unsere kleine Forschungsgruppe ist in den letzten Wochen auf Erkenntnisse gestoßen, die mir förmlich auf der Seele brennen. Sie haben sicherlich recht, und ich hätte nicht so einfach hier hereinplatzen dürfen.«
»Richtig, Lieutenant – ich habe recht.« Vince seufzte gut hörbar. »Also schön, Miss Halova. Kommen Sie mit in meinen Bereitschaftsraum. Wie lange gedenken Sie, mich der Schiffsführung zu entreißen?«
»Nicht lange, Admiral, bestimmt nicht.«
»In Ordnung. – Captain, bitte überwachen Sie die anstehenden Systemtests.«
»Selbstverständlich, Admiral.«
»Ich bin in fünfzehn Minuten zurück.«
»Ja, Sir.«
*
Ebeem, Ikendar, Amtsgebäude des Unteren Triumvirats, 2. Deihu’auethn im Jahre 524 nach der Stummen Zeit { * }
Triumvir Narut Tanguur griff mit seinem verbliebenen Arm nach einer saftigen Dvali-Frucht und wog sie unschlüssig in der Hand. Schließlich legte er sie auf den ausladenden Tisch zurück, der mit allen erdenklichen Speisen bedeckt war. Der Saal war mit drei weiteren Büffets und komfortablen Sitzmöbeln ausgestattet worden. Die meisten der Anwesenden entstammten dem Hochadel von Ebeem, und dass sie der Erwählung der neuen Triumvirn hier im Amtsgebäude des Unteren Triumvirats entgegensahen, war äußerst ungewöhnlich. Doch der Saal, in dem man sonst auf die Bekanntmachung der neuen Triumvirn gewartet hätte, existierte nicht mehr. Weil das Gebäude, das ihn beherbergt hatte, nicht mehr existierte. Mit dem uralten Regierungsgebäude des Erbtriumvirats, das nach den Reformen von 520 zum Amtssitz des Oberen Triumvirats geworden war, hatten sich Landis Curane aus dem Hohen Hause Sanar und Kasmaar Tamris aus dem Hohen Hause Tasuvian in die Luft gesprengt.
Eine Vielzahl von Temuran-Agenten, Onbotani und Regierungssekretären war mit ihnen in den Tod gegangen.
Narut Tanguur betrachtete seinen linken Arm. Er war physisch nicht mehr vorhanden, doch er wurde dem Triumvirn optisch simuliert. Er könnt ihn sogar ›ganz normal‹ bewegen, da ein Implantat die Signale seiner motorischen Hirnareale per Funk an die speziellen Kontaktlinsen weiterleitete, die er trug. Diese blendeten den fehlenden Arm in die Realsicht ein und ließen ihn sich entsprechend der gelieferten motorischen Daten bewegen. Viele Patienten, die ein Körperglied verloren hatten, entschieden sich für eine solche Simulation, um die Zeit bis zur abgeschlossenen genetischen Nachzüchtung des eingebüßten Körperteils zu überbrücken. Hierbei war es weniger der Phantomschmerz, der sie auf die Simulation zurückgreifen ließ – denn dieser konnte auf neuronaler Ebene vollständig bekämpft werden, indem das Remapping benachbarter Bereiche des somatosensorischen Kortex verlangsamt wurde –, sondern vielmehr die psychischen Begleiterscheinungen, die mit dem Phantomschmerz einhergingen. Depressionen und Missempfindungen wurden durch die virtuelle Extremität wirksam zurückgedrängt. Das sich selbst zusammenbauende Nanoimplantat, das die motorischen Impulse lieferte, löste sich entsprechend der Nachzüchtungszeit von alleine wieder auf, und seine Rückstände wurden
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