Sternenfaust - 148 - Herrscher der Orphanen (2 of 2)
Hoffnung, das von ihm bewirkte Übel doch noch beseitigen zu können, vielleicht irrational sei, aber er war noch nicht so weit, seinem Bestreben ein Ende zu setzen. Schließlich fügte sich Matai Kai jedes Mal, wenn sie eine solche Unterhaltung führten. Alleine wollte und konnte sie diesen Weg nicht antreten …
Nachdem 500.000 Jahre vergangen waren, in denen Mato Kin eine Myriade von Berechnungen hinsichtlich des Orphanen-Problems angestellt hatte, entschloss er sich dazu, seine eigene Geschichte aufzuzeichnen. Zwar hatte er die Hoffnung immer noch nicht völlig aufgegeben, die Orphanen unter Kontrolle zu bringen, aber von Jahrhundert zu Jahrhundert wurde die Ahnung stärker, das Übel auch in weiteren 500.000 Jahren nicht zurücknehmen zu können. Wenn er am Ende also doch scheitern würde, so war das Mindeste, das er tun konnte, schonungslos seine Biografie aufzuzeichnen und die Verantwortung für das von ihm bewirkte Unheil auf sich zu nehmen. Sollte es irgendeine Nachwelt geben, so würde sie nicht auf einen Mato Kin Wayat zurückblicken, der vor seiner übergroßen Schuld geflohen war. So durchdachte der Wissenschaftler sein Leben und benutzte ein telepathisches Aufzeichnungsgerät, um einer Nachwelt, die vielleicht immer noch durch die Orphanen bedroht sein würde, diejenigen Informationen zukommen zu lassen, auf die sie ein Anrecht hatte. Zusätzlich fasste er seine Biografie in der alten Schrift der Mentoren ab und übertrug sie mit einem Impulsgeber auf die weiß schimmernde Außenhülle der Kuppel. Der uralten Tradition der schriftlichen Fixierung wollte sich Mato Kin nicht entziehen.
Auch Matai Kai benötigte ein Betätigungsfeld, um nicht dem Stumpfsinn, oder gar dem Wahnsinn zu verfallen. Mittels Sonden, die ihr Mato Kin baute, begann sie die Flora und Fauna des Planeten zu studieren. Was anfänglich nur wie ein notdürftiger Ausweg aus entsetzlicher Langeweile ausgesehen hatte, wurde mit der Zeit zu einem wissenschaftlichen Projekt, das Matai Kai mit Hingabe betrieb. Mato Kins Datenbanken gaben ihr die nötige Hilfestellung, und so wurde sie mit den Jahrtausenden zu einer Expertin auf den Gebieten der Botanik, Zoologie, Molekularbiologie, Zytologie, Entwicklungsbiologie, Physiologie, Verhaltensbiologie und Ökologie. Tatsächlich machte sich Matai Kai zum Ziel, am Ende zu nichts Geringerem als einer Vollbeschreibung des Lebens auf Hogan Kin zu gelangen.
Doch Matai Kai betrieb ihr Projekt nicht ausschließlich mit dem nüchternwissenschaftlichen Anspruch, eine Bio-Inventarisierung zu leisten. Unter den Tierarten auf Hogan Kin gab es einige, die ihr ans Herz wuchsen. Es verschaffte ihr eine große Freude, diese Tiere bei ihren so ursprünglichen und durch keinerlei Kulturzwang beeinträchtigten Tätigkeiten zu beobachten. Matai Kai genoss vor allem die Lebenswirklichkeit einer weiß befellten Tierart, die sie auf den schlichten Namen Hinhan taufte. Diese mit vier Gliedmaßen ausgestattete Spezies verfügte über ein glattes, langes Fell, das im Licht der zwei Sonnen Hogan Kins so weiß schimmerte wie die Wohnkuppel der beiden Mentoren. Matai Kai erfreute sich am Nestbau, an der Aufzucht der Jungen, an der Nahrungssuche, schlicht an der Liebe, die im familiären Dasein dieser Art so ursprünglich zum Ausdruck kam …
Zu keiner Zeit dachte Matai Kai ernsthaft daran, die Hinhan genetisch zu manipulieren, um ihre evolutionäre Entwicklung zu beschleunigen. Die theoretischen Fähigkeiten hierzu hatte sie zwar mittlerweile erworben, doch überwog die Freude am natürlichen Entwicklungsprozess ihre leichte Ungeduld in dieser Hinsicht. So erlebte sie schließlich, nachdem lange Zeiträume der Entwicklung vergangen waren, wie die Hinhan sich vom Boden erhoben und von Vier- zu Zweibeinern wurden. Sie verfolgte mit einer Art von Mutterliebe, wie die Hinhan über einen Zeitraum von 10.000 Generationen ihr Fell abwarfen und zu einer weißhäutigen Art wurden, die sich mit großer Eleganz auf ihren zwei Beinen fortbewegte. Nur das Haupthaar war geblieben, das von beiden Geschlechtern sehr lang getragen wurde und ebenso weiß geblieben war wie das Fell jener Tiere, die am Ursprung der Entwicklung gestanden hatten. Die Hinhan waren zu einer intelligenten Spezies geworden, primitiv zwar, noch in Höhlen hausend und nur einer rudimentären Sprache mächtig, doch zeigten sie jenes Verhalten, das so deutlich die erwachende Intelligenz markiert: Sie begannen, Fragen zu stellen . Fragen nach ihrem Dasein, der Welt, in
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