Sternenfaust - 150 - Das Auge des Universums
deiner Erinnerung. Ich will dir auf die Sprünge helfen: Wir waren in den letzten fünfzehn Jahren zwei Mal verheiratet und befinden uns aktiv eigentlich in einer Trennungsphase. Zumindest waren wir das, bis du mich per Hyperfunk von Karalon von meiner kryptologischen Arbeit abbestellt hast, damit ich an deiner Seite zum Auge des Universums fliege. Du hoffst, an diesem Ort Heilung zu finden.«
»Ich muss träumen.« Sie schloss die Augen, und eine einzige Träne lief über ihre Wange.
Yngvar küsste sie auf die Stirn. »Ist schon gut. Schaffst du es, auf die Brücke zu kommen?« Er sah sie mitfühlend an. Seine Sorge war mehr, als sie meinte ertragen zu können. Sie musste sich zusammenreißen.
Sie nickte und wischte die Träne ab. War sie tot – und das war ihr Paradies? Sie war nie sonderlich religiös gewesen und konnte daran nicht glauben. Ihre Erinnerungen trogen sie nicht. Es war Yngvar, der zurückgekehrt war. Sollte sie Yngvar sagen, dass er sich irrte? Nein. Das würde den Zauber brechen. Sie wollte dieses Spiel mitspielen, nur für eine Weile. Sie wollte an Yngvars Seite sein.
Er pfiff kaum hörbar eine Melodie von Vivaldi, während er neben ihr zur Brücke ging. Sein Körper zeigte in seinen Bewegungen dieselbe Kraft und denselben Schwung wie früher.
Das Schott öffnete sich. Alles war so wie vor wenigen Stunden, nur dass die Entität nicht auf der Brücke war. Yngvar setzte sich wie selbstverständlich in den freien Konturensessel.
Commander Drake nickte ihr freundlich zu. »Ich wollte Ihnen das Austrittsmanöver überlassen, Captain.«
»Wir werden nicht an dieser Stelle aus dem HD-Raum austreten. Wir brauchen einen größeren Abstand und werden das Ziel innerhalb eines Tages vom Einsteinraum aus anfliegen. Es mag ja sein, dass wir keine gravitatorischen Verzerrungen anmessen können, aber sicher ist sicher.«
Hakira Martin bestätigte an der Navigationskonsole und setzte das Schiff auf einen neuen Kurs.
Yngvar schüttelte amüsiert den Kopf. »Seit wann bist du so übervorsichtig? Wo ist die Kämpferin Dana Frost geblieben?«
»Sie sitzt neben dir«, sagte Dana leise und riss sich zusammen, ihn nicht wieder anzustarren.
Meister William, Daniel und Rags betraten die Brücke. Sie wirkten wie immer und schienen nichts Ungewöhnliches zu bemerken. Yngvar war für sie offensichtlich ein Teil der Crew. Daniel verdrehte die Augen, als er Yngvars Konturensessel passierte, als würde er den Wissenschaftler schon lange kennen und ihn für einen Idioten halten. Er trug über dem Von-Milton-Anzug ein schwarzes Synthetik-Shirt mit der Aufschrift: »Unverschämt? Ich nenne es verbal überlegen.«
Dana musste trotz der bizarren Situation lächeln.
Alle warteten angespannt, wie das Schiff auf Abstand ging und den HD-Raum verließ. Dana gab die nötigen Befehle und Anweisungen wie eine Schlafwandlerin. Sie sah immer wieder zu Yngvar hin und musste sich davon überzeugen, dass er es tatsächlich war. Bekam sie eine zweite Chance? Würde sie Heilung finden und gemeinsam mit Yngvar in die Solaren Welten zurückkehren? Oder war das Erlebnis nicht mehr als eine Illusion?
»Eintritt in den Normalraum verlief erfolgreich. Messungen werden validiert.«
Dana nickte abwesend.
Yngvar wandte sich ihr zu und grinste. »Du wirkst, als würdest du träumen. Ich schlage vor, du ruhst dich ein wenig aus, solange die Messungen noch laufen. Wir könnten gemeinsam einen Kaffee trinken.«
»Bringst du mich zu meinem Quartier?«
Yngvar wirkte überrascht. Sie wusste selbst, wie ungewöhnlich dieses Verhalten für sie war, aber selbst wenn das nur ein Traum war, wollte sie die Zeit mit Yngvar auskosten. Sie stand auf. »Bist du in deinem Sessel eingeschlafen?« Ihr Gesicht war gespielt streng. »Befehlsverweigerung akzeptiere ich nicht.«
Yngvar beeilte sich, sie zu begleiten.
Sie ging zum Schott. Ehe sie die Brücke verließ, drehte sie sich noch einmal um. Eigentlich wollte sie dem verblüfft aussehenden Commander Drake das Kommando übergeben, doch statt dessen zuckte sie wortlos zusammen. In ihrem Konturensessel saß ein vielleicht fünfjähriges Mädchen mit kinnlangen, schwarzen Haaren und eisblauen Augen. Es hob stolz den Kopf und sah Dana an. Ihre Blicke brannten sich ineinander. Der Blick des Mädchens wirkte prüfend. Um ihren Hals hing eine Kette mit einer Patronenkugel.
Dana blinzelte. Das Mädchen war verschwunden. Hatte sie sich das eben Gesehene nur eingebildet? War ihre Krankheit so weit
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