Sternenfaust - 150 - Das Auge des Universums
fortgeschritten?
Yngvar berührte ihren Arm. »Möchtest du doch auf der Brücke bleiben? Ich wäre nicht böse darüber. Schließlich geht es um einen einmaligen Ort, und du willst sicher die Erste sein, die ihn mit ihren bezaubernden Augen erblickt.«
Dana wandte sich ab. »Nein. Dieses Mal nicht. Lass uns gehen.«
*
Seine Mutter hatte Blumen dabei. Blumen. Ausgerechnet Blumen. Als ob er sich jemals für Blumen interessiert hätte. Aber das war inzwischen auch egal. Daniel sah sie an wie ein Insekt.
»Wie geht es dir?«, begrüßte sie ihn munter, während sie sich einen Stuhl nahm und ihn an den Tisch zog. Sie strich über den flimmernden Rock ihres Sa’Omanka-Designerkleidchens und setze sich würdevoll. Dabei fuhr ihre Hand wie selbstvergessen über ihren Bauch.
Er hob eine Augenbraue. »Beschissen. Mir ist langweilig. Hier drinnen gibt es niemanden, mit dem man ernsthaft reden kann.«
Seine Mutter – Evelyn, er wollte sie lieber Evelyn nennen – fasste nach seiner Hand. Er zog sie fort. Ihre Mimik zeigte Bedauern, aber er spürte die Erleichterung darüber, dass er sich ihr entzog. »Du kommst schon bald nach Hause, Daniel. Die Ärzte sagen, du kannst die ›Quellen der Genesung‹ in spätestens drei Monaten verlassen. Dann kannst du auf die beste Eliteschule der Genetiker-Welten gehen und hast gleichrangige Gesellschaft. Dein Weg nach oben wird sich bald fortsetzen.«
Eine Lüge. Aber Evelyn glaubte es selbst. Sie redete es sich ein, während es gleichzeitig nicht mehr wichtig war. Er war nicht mehr wichtig. Das teure Statussymbol Daniel, die Altersvorsorge und Garantie für ein glanzvolles Leben, war auf die Ersatzbank gerückt. Daniel wusste von der Abfindung, die seine Mutter erhalten hatte. Es waren nicht nur Credits gewesen. Nein. Er wandte den Kopf ab und sah demonstrativ von Evelyn fort.
»Wollen wir etwas spielen?« Ihre Stimme klang distanziert.
Kein Wunder. Sie hatte mit ihm abgeschlossen. In ihrem Bauch wuchs die neue Hoffnung heran. Ein neues Klasse A-Modell mit einiges Extras. Daniel war nur noch ein Zeitfresser. Warum sie das Kind überhaupt selbst austrug und es nicht in einem der Wachstumskästen züchten ließ, war ihm ein Rätsel. Vielleicht lag es an den erhöhten Risiken, die eine mutterlose Geburt für das Kind mit sich brachte. Oder an den Studien, die behaupteten, die emotionale Intelligenz von Kindern mit natürlichen Müttern sei größer.
»Schön, dass du trotz all deiner Verpflichtungen endlich mal vorbeigekommen bist«, sagte er sarkastisch.
Evelyn verdrehte die Augen. »Daniel, bitte. Alle kümmern sich rührend um dich. Du bist hier gut aufgehoben.«
»Sicher.« Daniel sah zur Tür, die sich laut Chronometer gleich öffnen würde.
Es klopfte.
»Herein«, rief Daniel.
Evelyn sah irritiert zur Tür. »Du erwartest Besuch? Aber du wusstest doch, dass ich vorbeikomme?«
Die Tür öffnete sich, und Dana Frost trat in Freizeitkleidung ein. Sie gehörte zu den wenigen Menschen, mit denen sich auskommen ließ. Sie war etwas Besonderes, so wie er.
»Wer ist das?« Evelyn sah Dana abwertend an.
»Eine Freundin. Ich habe sie zum Go-Spielen eingeladen.«
»Aber … warum denn mitten in der Besuchszeit?«
Daniel schloss die Augen. Er wollte es tun. Er wusste, dass es keine Heilung gab, auch wenn seine Mutter noch daran glaubte. Die Ärzte gaben ihm noch wenige Monate, und die Rätsel, vor denen sie standen, waren nicht zu lösen. Sie gaben es nicht zu, aber er konnte ihre Gedanken lesen. Genauso wie die Gedanken von Evelyn. Sie hatte ihn ausrangiert und ihn innerlich bereits verstoßen. Alles, was sie tat, tat sie aus Pflichtgefühl, nicht aus Zuneigung.
»Darum«, sagte er leise und konzentrierte sich auf Dana, die von Evelyn zu ihm sah.
»Komme ich ungelegen?«, fragte sie distanziert.
Daniel schüttelte den Kopf. »Du kommst wie bestellt.« Er hörte Danas Gedanken, als wären es seine eigenen. Das, was die Wissenschaftler Stille Sprache nannten, war für ihn überlaut zu hören. Dana war verärgert über seine Aussage. Sie war niemand, den man herumkommandierte.
Und genau das tun sie , flüsterte Daniel ihr ein, indem er ihre innere Stimme wurde und die ursprünglichen Gedanken in Danas Unterbewusstsein schob. Sie schubsen dich herum. Du bist für sie nicht mehr als ein Gegenstand. Ein teurer Luxusartikel.
Dana wehrte sich gegen seine Beeinflussung, aber er gab nicht auf.
Sie sind alle gegen dich. Sie haben Yngvar getötet, und nun sind sie gekommen,
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