Sternenfaust - 155 - Die Vergessenen
Doktor Tregarde, es war albern, zu erwarten, dass sie die Krankenstation verließ, wenn Tregarde ihn behandelte.
»Was ist denn passiert?«, fragte Cody.
»Ich weiß nicht recht«, kam die zaghafte Antwort der Laborassistentin. »Ich war spät dran, bin wie gewohnt die Gänge entlang und dann …« Sie stockte, sog die Luft mit zusammen gebissenen Zähnen ein und versuchte offenbar, sich zu erinnern.
»Und dann ist sie über ihre eigen Füße gefallen«, setzte der Doktor die Geschichte fort. »Hat sich die Nase blutig geschlagen und kann sich nicht einmal mehr daran erinnern.«
Cody zupfte eines der medizinischen Tücher aus dem Wandspender und wischte sich damit das Blut von der zum Glück flüssigkeitsabweisenden Uniform.
Commodore Frost hatte den Eindringling nicht sehen können, und er ihn im Grunde auch nicht. Es war also durchaus möglich, nein sogar wahrscheinlich, dass es noch anderen so ergangen war, wenn … ja, wenn er nicht nur Hirngespinsten nachjagte.
»Ich habe die geplatzten Äderchen als Vorsichtsmaßnahme verödet. Kurios jedenfalls, dass ich heute gleich zwei dieser Fälle behandeln muss.«
»Ich wollte mit Ihnen noch etwas besprechen, Doktor«, sagte die Assistentin leicht näselnd.
»Später, Chrissie. Gehen Sie erstmal und holen sich einen frischen Kittel. Ich versorge solange den Captain.« Die Laborassistentin sah nicht glücklich aus, folgte aber der Anweisung ohne Widerworte.
Als sie endlich allein waren, trat Doktor Tregarde an Cody heran und sah ihm forschend in die Augen. »Also, ich höre.«
»Sie müssen meinen Gedächtnis-Chip prüfen, Doktor Tregarde. Entweder es stimmt etwas mit dem Ding nicht, oder wir haben mehr als nur ein kleines Technikproblem an Bord.«
»Der Reihe nach, bitte. Was für Schwierigkeiten haben Sie genau?«
Cody erzählte ihm von dem Vorfall, so sachlich, wie es die Geschichte zuließ, und der Doktor lauschte aufmerksam ohne eine Regung. Erst am Ende strich er sich einmal durch seine dunklen Locken und sog die Luft geräuschvoll durch die Nase ein und wieder aus. »Es ist nicht völlig undenkbar, dass der Chip im Zusammenspiel mit Ihrem Gehirn auch so etwas wie Geisterbilder erzeugen könnte, quasi um besonders einprägsame Empfindungen in Bilder umzusetzen. Aber für sehr wahrscheinlich halte ich es nicht.«
Cody musste sich beherrschen, nicht erleichtert aufzuatmen. Doch Doktor Tregarde durchschaute ihn.
»Was denn, Captain?«, meinte er schmunzelnd. »Dachten Sie, ich würde zunächst mal alles für Hirngespinste halten? Die Fakten ignorieren? Unwahrscheinlichkeiten einfach nur als Zufälle abtun? Sie zunächst mal für paranoid oder überarbeitet erklären? Glauben Sie mir, mit einer solchen Methode hätte ich es ganz sicher nie bis zum Nobelpreis geschafft.«
Mit diesen Worten und einer knappen Handbewegung lud er Cody dazu ein, auf der Medo-Liege Platz zu nehmen.
Cody nickte.
»Und es gibt noch einen Vorteil«, meinte Doctor Tregarde.
»Und der wäre?«, wollte Cody wissen.
»Selbst mit unserer angeblich so weit entwickelten Wissenschaft ist es noch immer nicht möglich, den Geisteszustand eines Menschen zu überprüfen. Was wir jedoch überprüfen können, das ist Technik. Technik lässt sich messen und bewerten. Und genau das werde ich jetzt mit Ihrem Chip tun, Captain.«
»Wie steht es bei Ihnen und Ihren Gerätschaften, Doktor? Funktionieren Sie überhaupt noch hinreichend?«
»Bislang scheint sich der Fehlerteufel noch nicht bis zur Krankenstation vorgewagt zu haben. Das liegt wohl daran, dass die Medo-Systeme überwiegend autark laufen, bis auf die wenigen Verknüpfungen mit der Datenbibliothek.«
»Da haben Sie Glück. Es sind bereits andere Systeme ausgefallen, die ebenfalls autark arbeiten.«
Der Doktor aktivierte den Körperscanner und meinte: »Jedenfalls hat Commander Black Fox bisher davon abgesehen, mir die Geräte runterzufahren.«
Die Scan-Sonde schwebte nun über Codys Kopf, während Doktor Tregarde sie über die Konsole steuerte.
»Sie vergessen die Backup- und Wartungs-Systeme, Doktor«, widersprach Cody. »Heutzutage ist alles mit allem vernetzt.« Er schien regelrecht die Kugel, die dicht über seiner Stirn schwebte, zu spüren.
»So etwas hat immer Vor- und Nachteile«, antwortete Doktor Tregarde. »Egal, auf welcher Ebene Vernetzung stattfindet. Das hat die Vergangenheit in vielerlei Hinsicht bewiesen. Wissen global zugänglich zu machen ist auf den ersten Blick ein Segen. Aber auf den zweiten lässt sich
Weitere Kostenlose Bücher