Sternenfaust - 155 - Die Vergessenen
damit frei werdende Bindungsenergie entstand, hing von der Masse an Materie ab, die für diesen Prozess zur Verfügung gestellt wurde. Große Kammern, viel Energie – das war zumindest die Kurzversion, die Jenny Black Fox den Besuchern auf dem Rundgang vorsetzte.
Wieder und wieder wehrte der Captain die Wesen ab, drehte den Kopf, wuchtete auch den Körper herum. Und was auch immer er sah, es war beeindruckender als alles Bisherige.
Captain Mulcahy liefen die Schweißtropfen über die Wangen. Er brauchte einen Moment, bis er heiser ausstieß: »Da, da oben! Das muss ihr Anführer sein!«
»Jetzt oder nie mehr!«, rief Dana und rückte ihren Drahtgitterhelm zurecht. Er schützte sie hoffentlich vor direkten Angriffen auf ihren Kopf und dessen Innenleben und verhinderte damit, dass sie sofort in geistige Starre verfiel.
Captain Mulcahy reagierte prompt auf ihre Anweisung, stieß mit seinem Gerät zu und trieb das Lichtwesen vom Dach des Wandlerkerns direkt in ihre Richtung.
Jetzt oder nie , wiederholte Dana in Gedanken, biss in Erwartung der Schmerzen die Zähne zusammen und griff nach der Gestalt, als sie das nächste Mal aufflackerte.
Dort, wo Körper und Körper sich berührten, spürte Dana es wie tausend glühende Nadelstiche. Sie kniff die Augen zusammen und zerrte das Wesen mit sich, schleifte und wuchtete es über den Boden, zog es das letzte Stück bis vor die Luke der Hauptkammer, während die Stromstöße jedes überspringenden Lichtbogens ihren Körper schüttelten.
Doch sie ließ nicht locker, sondern schloss ihren Arm nur noch fester um dessen Hals.
Luft schien das Wesen nicht zu atmen. Überhaupt wirkte sein Körper wie aus Silikon geformt. Eine Masse ohne Knochen oder Innereien. Einzig die Muskeln und Sehnen schienen nachgebildet aus dieser zusätzlich von Licht durchfluteten Masse. Ein riesiger organischer Energiespeicher, das war alles, was Dana noch in ihm sehen konnte.
Dies waren Kunstwesen. Programmierte Wesen, Gestalt gewordene Computerviren.
Schwer keuchend tippte sie mit vor Anstrengung und Schmerzen bebenden Fingern den Sicherheitscode ein und zwang die Luke des Wandlers auf, während Captain Mulcahy den Rest des Schwarms zurücktrieb.
Sofort leuchteten die Warnanzeigen auf, Sirenen schrillten, doch Dana ließ sich nicht beirren.
Sie hievte den zappelnden und sich windenden Leib in die Höhe und zwang ihn die Beine voraus durch die Öffnung.
Ein letzter Blick in die Licht flackernden Augenhöhlen, dann ließ sie los, ließ den Eindringling fallen und drückte die Luke im gleichen Augenblick zu, als der vierzig Meter breite Behälter zu beben schien.
Fast wirkte es, als würde der Wandler erschrocken einatmen, die Materie rings um sich einsaugen und im nächsten Moment in einer gigantischen Energiewelle wieder ausspucken. Die unsichtbare Front raste durch den Maschinenraum und weiter, ohne dass eine Wand oder sonst ein Gegenstand ihr hätte Einhalt gebieten können.
Gleichzeitig, während Dana fiel, ihr Körper zu Boden glitt, der Drahtgitterhelm auf den Metallrost krachte und ihr das Blut in hellrotem Strahl aus der Nase schoss, sah sie durch eines der sechseckigen Bullaugenfenster das Lichtwesen im Inneren des Wandlers zerbersten.
*
Hier war es!
MK-alpha3kl9 glühte!
Er glühte und schrie, er wand sich und füllte sich.
Das Wissen strömte in ihn. Die Verbindung, die Wahrheit, die Veränderung!
Die Schatten verpufften, glitten hinfort.
Die Sehnsucht wurde gestillt. Sie schwand.
Sie wurde ersetzt durch Frieden und Ruhe.
Da wusste er es. Er hatte Mutter gefunden. Er hatte die Wahrheit gefunden. Und er übertrug das Wissen an sie.
Zugleich spürte er ein Loslassen. Die Antworten flossen durch die Adern.
Die Auflösung!
Das war das Ende. Das Ende der Aufgabe. Der Suche. Der so schmerzhaften Suche.
Vater. Ich verstehe dich. Ich gebe dir mein Wissen. Ich wandle es. Ich sage es.
Und er ließ los. Und ergab sich dem Vergessen.
*
STERNENFAUST, Transalpha, 24 Stunden nach dem Kontakt
Als Cody erwachte, fand er sich anfänglich orientierungslos am Boden wieder. Jeder Zentimeter seines Körpers schmerzte. Doch genau diese Schmerzen bestätigten es ihm: Er lebte und – er erinnerte sich.
Mühsam rappelte er sich auf und suchte nach den anderen. Dana Frost, Jenny Black Fox, Max Brooks, Jake Austen und der Rest des Rettungsteams sahen wie gerädert aus. Ausgelaugt, das Gesicht noch Blut verschmiert. Aber auch sie lebten und waren außer einigen leichten
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