Sternenfaust - 156 - Sol X (1 of 2)
vor Verfolgern. Er traute seinem falschen Bart nicht zu, eine wirksame Tarnung zu sein. Wahrscheinlich würden die Experten von der GalAb nur darüber lachen.
Anna saß ihm gegenüber und hatte ihren Drink bis jetzt nicht angerührt. Wieder sah sie auf das hundert Meter tiefer liegende Landefeld – das Panoramafenster des Cafés gestattete einen großartigen Überblick über den Raumhafen. Alwin bemerkte, wie sie auf einen Fleck dort unten starrte, den er ihr bezeichnet hatte. Doch dort war nicht – gar nichts.
Alwin zuckte zusammen, als die Bedienung an ihrem Tisch vorbeiging. Er sah ihr nach. Er war einfach zu nervös.
»Ich schwöre es dir, Anna! Dort – genau dort! – habe ich den CHA-Gleiter vor drei Stunden geparkt. Er kann unmöglich von der Stadtpolizei beschlagnahmt worden sein – denn niemand außer uns beiden weiß von Jans Tod. Die GalAb ist mir auf den Fersen – und sie beseitigt alle Spuren, die mit diesem verdammten Planeten in Zusammenhang gebracht werden können.«
Anna sah ihn lange an. »Alwin – ich sage es frei heraus: Ich zweifele an deinem Verstand.«
»Würde ich auch an deiner Stelle! Aber so wahr ich dein Bruder bin und immer zu dir gehalten habe, so sehr flehe ich dich an, mir zu glauben! Es war eine gigantische milchige Kugel, Tausende von Kilometern durchmessend! Sie schimmerte blau, grün und braun herauf, wie Ozeane und Kontinente. Was dieses Ding auch immer sein mag – es hat Jan getötet. Du musst mir glauben, Anna!«
»Ich versuche es ja, Alwin. Ich versuche es …« Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Was schlägst du denn vor, Alwin? Was sollen wir tun?«
»Wir könnten zur Stadtpolizei gehen – aber die werden mich auch als verrückt erklären. Kein Gleiter und keine – Leiche. Darüber hinaus kann die GalAb es so gedreht haben, dass ich sofort festgenommen werde. Nein – keine Polizei!«
Am Horizont stieg ein Großgleiter langsam auf seinen Antigravkissen in die Höhe. Er hatte die typische Form eines Fracht-Shuttles, die zum Be- und Entladen von im Orbit befindlichen Frachtraumern dienten.
»Ich wage es auch nicht, meinen Chef anzurufen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die GalAb Nepala auf sämtlichen Kanälen abhört. Diese Hunde verfügen über so schnelle Möglichkeiten der Rückverfolgung, dass sie mich im Handumdrehen schnappen werden.«
»Also tun wir gar nichts. Jan ist weg. Du sagst, er sei tot. Und ich? Ich weiß gar nichts, Alwin. Ich fühle mich wie in einem Albtraum.«
»Mir geht es nicht anders, Anna. Aber wir werden etwas unternehmen. Wir müssen etwas unternehmen. Vielleicht wenden wir uns an einen Anwalt – einen cleveren, unbestechlichen Anwalt.«
»Was könnte der tun, Alwin? Falls du recht hast mit deiner Verschwörungstheorie, wird er bei keiner einzigen staatlichen Stelle weiterkommen. Nein, wenn wir uns Hilfe suchen, dann brauchen wir jemanden, der für Öffentlichkeit sorgen kann. Einen Medien-Menschen, einen Enthüllungsjournalisten, einen investigativen Journalisten …«
»Du hast recht, Anna. Du hast völlig recht. Einen gewieften Journalisten, der was drauf hat. Der sich mit diesen Sachen auskennt, der so etwas auch schon früher durchgezogen hat.« Alwin dachte nach. »Was hältst du von Tim Pennington?«
»Vielleicht. Oder wir greifen nach ganz oben.«
»Was meinst du?«
»Melvyn Frohike.«
Alwin pfiff durch die Zähne. »Wie sollen wir an den rankommen?«
»Ellie. Du vergisst, dass Ellie Fritz Sasseur, den Programmchef von GBN kennt.«
»Richtig.« Alwin nickte eifrig. »Das machen wir, Anna. Melvyn Frohike – der Mann überlebt einen Bombenanschlag auf seine Sendung und macht weiter, als ob nichts gewesen wäre. { * } Und der Kerl liebt Verschwörungstheorien über alles. Bloß diesmal ist es keine Theorie – diesmal ist es die nackte und rohe Wahrheit.«
*
Netzmeldung GBN, zwei Wochen zuvor (20. Januar 2272)
Die Ursache des verheerenden Unfalls, der sich vorgestern, am 18. Januar 2272 in der Far-Horizon -Forschungsakademie auf Sedna zutrug, konnte inzwischen geklärt werden. Ein Stealth-Torpedo des Star Corps traf vorgestern Morgen um 8.04 Uhr den Zwergplaneten Sedna und richtete großen Schaden im Areal 61 der Forschungsakademie an. 128 Menschen verloren ihr Leben, und 307 Mitarbeiter wurden verletzt, hiervon 56 schwer. 9 Angehörige der Akademie schweben noch in Lebensgefahr. Eine oberirdische Flugleitzentrale, sowie weitläufige Einrichtungen in den beiden darunter liegenden
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