Sternenfaust - 164 - Kampf um Torrent
für den echten Flugbetrieb nichts taugte. Aber was wollte ihm Santos damit sagen? Dass er ihn für unfähig hielt, so untauglich war wie ein Flugzeug mit abgeschnittenen Flügeln, das selbst bei starkem Gegenwind nicht mehr in die Lüfte abheben konnte?
Ehe Gernot antworten konnte, zeigte Santos auf das Foto eines Mannes mit Schnauzbart. »Kennen Sie Igo Etrich aus der Subregion Österreich? Nein? Er war einer dieser Verrückten, die die ersten Motorflugzeuge bauten und sie anschließend auch selbst flogen. Von ihm stammt der Spruch, dass man als Pilot Fähigkeiten benötigt wie ein Seiltänzer im Wind.«
Pah, Wind! Im Weltall gab es keinen Wind. Höchstens den, der einem vom Vorgesetzten entgegenwehte. War es das, was Santos ihm sagen wollte? Dass er ihn nicht brauchen konnte, dass er an Bord der S.C.S.C. STERNENFAUST III fehl am Platz war? Dass ihm die Leichtigkeit abhandengekommen war?
Gernot kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, ich verstehe nicht …«
Santos faltete die Hände vor dem Gesicht und blickte ihn mit seinen dunklen Augen an, als könnte er in sein Innerstes sehen. »Glauben Sie, ich merke nicht, was mit Ihnen los ist?«
Gernot schoss es siedendheiß durch den Kopf. Gab es doch eine Überwachungskamera in diesem Raum? Wenn Santos nach den Medikamenten fragte, würde er sie herausgeben müssen. Und die zerfetzten Körper seiner über Sagunta gefallenen Kameraden würden ihn noch öfter heimsuchen.
»Ja, ich habe Sie in den letzten Wochen beobachtet. So kann das nicht weitergehen. Ich …« Santos griff nach einem e-Pad, das vor ihm auf dem Tisch lag. Was sollte das? Gernot wurde unruhig. Hatte Santos vertrauliche Informationen über ihn gesammelt?
»Ich denke«, fuhr der Wing Commander fort und sah immer noch auf das Display des e-Pads, »dass Ihnen ein Urlaub gut tun würfe. Laut Dienstplan sind wir in einer Woche wieder im Sonnensystem der Erde.« Jetzt sah Santos ihn an. »Bis dahin sollten Sie etwas kürzertreten.«
Gernot atmete tief aus. »Aber …«
»Kein aber. Das ist ein Befehl, Lieutenant! Ist das klar?«
»Äh, jawohl, Sir. Darf ich jetzt gehen, Sir?«
Santos nickte. »Ich hoffe, wir verstehen uns. Wenn nicht, sind Sie so schnell vom Flugbetrieb ausgeschlossen, dass Sie nicht einmal bis Bravo buchstabieren können.«
Gernot stürmte aus dem Besprechungsraum. Noch eine Minute länger, und er hätte Santos den Job hingeworfen. Verdammt!
*
Vorm Fuzzy’s blieb Gernot stehen. Durch die Tür aus transparentem Stahl konnte er sehen, wie Guns und Morten zusammen mit Neela fröhlich an einem Tisch saßen und sich mit Synthodrinks zuprosteten. Hier hatte er oft mit Pete Chinasky nach einem waghalsigen Einsatz gesessen, gelacht und getrunken. Nicht umsonst hatte das Fuzzy’s den Ruf, die besten Partys an Bord zu schmeißen, so wie bei der Feier von Roman Montys Zenturio-Abzeichen für seine hundertste Landung an Bord der STERNENFAUST.
Nein, er konnte das nicht, er konnte nicht einfach hineinspazieren und so tun, als ob nichts gewesen wäre. Zu viele Erinnerungen hingen an der Offiziersmesse. Hier hatten sich Emma Kalani und Mike Rossini kennengelernt, und nun war die Pilotin seit zwei Jahren tot, nur weil jemand geglaubt hatte, er hätte das CC-4400 im Griff. Roman und die anderen Piloten hatten sterben müssen, weil der Hohe Rat die Situation bei Kridania falsch eingeschätzt hatte. Warum verstanden das die anderen nicht? Er fühlte sich von ihnen allein gelassen.
Ein junger Marine in frisch gestriegelter Ausgehuniform lief an ihm vorbei und musterte ihn mit einem Blick, der eine Mischung aus Verwunderung und Mitleid ausdrückte.
Gernot machte die Eingangstür einen Spaltbreit auf, aber in diesem kurzen Moment drang ein helles Lachen an sein Ohr.
Er ballte die Fäuste. Nein, er konnte nicht hineingehen und auf heile Welt machen. Niemals. Er warf einen letzten Blick auf Neela, die Guns ein schüchternes Lächeln schenkte, ehe er sich umdrehte und zu seiner Kabine stapfte.
Erleichtert registrierte er, wie sich das Kabinenschott hinter ihm schloss. Endlich allein, und nur noch drei Schritte bis zum Regal, wo hinter seiner Sammlung von Simchips ein privater Vorrat an Hypnohol versteckt war.
Golden schimmerte das Getränk beim Einschenken ins Glas, kleine Tropfen rannen zähflüssig an der Innenseite herab. Ein feiner Geruch nach dunklen Beeren stieg ihm in die Nase. Schon der erste Schluck lag schwer auf seiner Zunge, verdrängte die Gedanken an Emma und Roman und
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