Sternenfaust - 164 - Kampf um Torrent
…
Keiner hatte ihn je gefragt, ob er Hilfe benötigte. Keiner von diesen SC-Verwaltungsdirektoren und sonstigen Sesselfurzern auf Ganymed oder Karalon, die in ihren großzügigen Büros hockten und keine Ahnung davon hatten, wie es an der Front zuging, hatte sich je Gedanken um ihn und die anderen Kriegsheimkehrer gemacht. Für sie existierte er nicht einmal.
Gernot seufzte. Der Hypnohol wirkte heute nicht so schnell wie sonst. Mit zitternden Fingern suchte er hinter den Chips mit Computerspielen, die normalerweise nur sechzehnjährige Kids interessierten, nach einem silbernen Röhrchen. Mit einem leichten Druck auf den Sensor startete die E-Zigarette den Verdampfungsprozess von Nikotin.
Vielleicht konnte er heute einigermaßen ruhig schlafen. Abwechselnd nahm er einen Zug und einen Schluck, doch das ersehnte Gefühl der Schwere wollte sich nicht einstellen. Die letzten Wochen hatte er darauf geachtet, dass es aussah, als käme er zurecht. Die anderen hatten seine Maske bislang nicht durchschaut, aber wenn es ihnen gelänge, würden sie ihn doch nur für verrückt halten. Er tastete nach einem zweiten Trizyklin in seiner Flugmontur, vielleicht half das.
Mit einem Klirren zerschellte das Glas auf dem Boden, der Inhalt zerfloss auf dem Kunststoffbelag.
Verdammt, der Hypnohol!
Gernot fiel auf die Knie, tauchte den Zeigefinger in die braune Flüssigkeit, und leckte daran. Er schloss die Augen, um die beruhigende Wirkung zu genießen.
Durch einen Tränenschleier blickte er auf seinen Finger hinunter.
Was machte er da?
War er wirklich so weit unten angekommen, dass er Drogen vom Fußboden ableckte?
Keuchend lehnte er sich an die Kabinenwand, deren metallische Kälte durch seine Montur drang.
Nein, so wollte er nicht enden. Er musste zu den Paramedics, auf der Stelle.
Mit letzter Kraft zog er sich am Tischbein hoch und stützte sich auf der Tischplatte ab.
»An alle Piloten«, drang die Stimme von John Santos durch sein benebeltes Hirn. »Einsatzbesprechung in fünf Minuten.«
Gernots Kopf fiel nach vorne. Ihm blieb auch nichts erspart.
*
Im nüchtern gehaltenen Konferenzraum herrschte konzentrierte Anspannung. Dana hatte den Großteil der Führungsspitze der STERNENFAUST um sich versammelt und sah vom Kopfende des ovalen Tisches zu Captain Mulcahy, der ihr gegenübersaß. Zwischen ihnen hatten sich Wing Commander John Santos, Commander Jane Wynford, Commander Jake Austen, Lieutenant Commander Jenny Black Fox, Lieutenant Commander Max Brooks und Colonel Yefimov auf den Längsseiten des Tisches verteilt.
»Meine Damen und Herren, Sie kennen unsere Lage«, begann Dana und sah in die Runde. »Torrent liegt in greifbarer Nähe, und Commander Austen hat uns etwas mitzuteilen.«
Der Zweite Offizier an Bord der STERNENFAUST räusperte sich und berührte flüchtig sein rotes Haar, ehe er die Ellbogen aufstützte und die Hände ineinander legte. »Wie einige von Ihnen bereits wissen, hat uns das Star-Corps-Hauptquartier auf Ganymed über einen kridanischen Schiffsverband informiert, der sich im Bergstromraum bewegt und dessen wahrscheinlicher Austrittspunkt bei Torrent liegt. Der Austrittszeitpunkt deckt sich in etwa mit dem Ablauf von Karek-Turs Ultimatum. Die Flottille besteht aus zwei Raumern der Vulture-Nova-Klasse sowie vier weiteren Schiffen mit schwerer Graserbewaffnung und ist damit stark genug, um uns massive Probleme zu bereiten.« Der Mann von Wega IV verstummte, als würde ihm die Stimme versagen.
Dana zog kaum merklich die Augenbrauen hoch. Den rothaarigen Womanizer Austen erlebte man selten sprachlos.
»Das heißt«, sprang Captain Mulcahy in die Bresche, »wir haben im Grunde keine reale Chance, unsere Bündnispartner zu schützen, und würden bei dem Versuch mit hoher Wahrscheinlichkeit unser Schiff opfern. Ganz abgesehen davon, dass unser Einsatz die Solaren Welten schlimmstenfalls in einen Krieg führen kann.«
»Wäre es da nicht besser, sich nicht einzumischen?«, wollte Commander Wynford wissen.
Dana schüttelte den Kopf. »Das Abkommen mit den Sharaan ist zu wichtig. Und generell ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn die Solaren Welten sich bei der erstbesten Gelegenheit von einem Bündnispartner abwenden, werden andere Völker lieber Allianzen mit den J’ebeem eingehen. Darüber hinaus ist es fragwürdig, ob es in einer Zeit ohne Raisa überhaupt mehr als Guerilla-Attacken der Kridan geben kann. Wir müssen das Wagnis eingehen. Allerdings brauchen wir einen guten Plan,
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