Sternenfaust - 167 - Tag der Vergeltung
erklärte Max Brooks. »Ich habe vor einigen Wochen eine Abhandlung von Professor von Schlichten gelesen. Darin geht es um den Einsatz von Nanotechnik zur Veränderung von chemischen Grundstoffen. Die daraus resultierenden Stoffe können in der Medizin eingesetzt werden. Von Schlichten hatte beeindruckende Erfolge vorzuweisen. Einige Heilmittel sollen in Zukunft auf diesen neuen Ideen basieren. Diese Kaskadenpolymere, die unser Scanner entdeckt hat, werden in der chemischen Nano-Technologie eingesetzt.«
Jenny wurde kalt. Sie konnte den Blick nicht mehr von dem Trümmerstück abwenden. »Nein«, hauchte sie. »Das darf nicht wahr sein. Diese Technik dürfte gar nicht mehr existieren.«
»Commander?«
Jenny stürmte an ihre Konsole. Ohne weiter nachzudenken, öffnete sie die äußere Schleuse. Das Trümmerstück verschwand aus dem Schleusenraum und driftete hinaus in die dunkle Leere des Alls.
»Was ist los?«
»Dass ich nicht früher darauf gekommen bin«, stieß Jenny wütend hervor. »Deuterium, Tritium und eine erhöhte Anzahl an Kaskadenpolymeren. Die Fusions-Seuche.« Aufgeregt ging sie auf und ab.
»Commander.« Der eindringliche Tonfall von Max Brooks ließ Jenny aufblicken. »Was ist eine Fusions-Seuche?«
Ihre Finger entwickelten ein Eigenleben. Innerhalb von Sekunden aktivierte sie die relevanten Algorithmen des Scan-Programms. Die Werte wurden aktualisiert. Obwohl das Trümmerstück nun im All trieb, stieg die Strahlung weiter an.
»Vor fünfzehn Jahren, als die Nanotechnik ihre Blütezeit erlebte, wurde auch im militärischen Sektor geforscht.« Jenny atmete tief durch. Eigentlich unterlagen jene Informationen der Geheimhaltung, doch das spielte aktuell keine Rolle mehr. »Der Durchbruch wurde durch eine Entdeckung erzielt, die Commander Stephan van Deyk im Jahr 2235 bei einem Einsatz der PLUTO auf einer Planeten-Ruine in der Nähe des Allister-Systems gemacht hatte. Dieser Planet war offenbar durch eine sogenannte Naniten-Bombe vollständig vernichtet worden und befand sich noch immer im Zustand der Zersetzung. Es war noch nicht einmal möglich, ein Außenteam auf diesen Planeten zu schicken, man konnte lediglich die Scans auswerten. Eine große Anzahl an Wissenschaftlern machte sich daran, aus diesen Erkenntnissen die ultimative Waffe zu entwickeln. Mit Erfolg.« Die Strahlung stieg weiter an, wenn auch sehr langsam. »Naniten, die durch einen Initialisierungsimpuls in eine kaskadierende Fusionsreaktion übergehen. Die entstehende Energie reicht aus, um den Nano-Stamm beständig zu vermehren. In dieser Form zerstören sie die Bindung verschiedener Elemente. Mit einer einzelnen Bombe lässt sich auf diese Weise ein vollständiger Planet auslöschen.«
»Davon wusste ich nichts«, sagte Max Brooks verwundert. Jenny wusste, dass er das gefährliche Potenzial dieser Technik noch nicht begriffen hatte. Ihr war es nicht anders ergangen. Bis sie eines Tages die Video-Files gesehen hatte.
»Natürlich nicht«, entgegnete sie. »Nachdem man die Gefahr erkannt hatte, die von einer derartigen Waffe – einem solchen Weltenvernichter – ausgeht, wurden auf Veranlassung der Solaren Ethikkommission alle Prototypen zerstört. Die Aufzeichnungen unterliegen der höchsten Geheimhaltungsstufe. Nur ein sehr kleiner Personenkreis weiß darüber Bescheid.«
»Dem Sie angehören.« Die Feststellung des Lieutenant Commanders war gleichzeitig eine Frage.
Jenny seufzte. »Zu Beginn meiner Karriere habe ich im Waffen-Planungsbüro des Star Corps gearbeitet«, erklärte sie. »Es gab eine Fraktion im Führungsstab, die die Fusions-Seuche wieder einsetzen wollte, als es zum Gemini-Krieg kam. Neue, unerforschte Techniken waren wieder modern. Der STERNENFAUST-Zwischenfall hatte die Experimentierfreude an gefährlichen Techniken geweckt. Mit der Fusions-Seuche wäre es ein Leichtes gewesen, den Gemini-Krieg schnell und effizient zu beenden.«
»Mit möglicherweise furchtbaren Folgen.«
»Daher wurde das Vorhaben trotz der Gefahr auch wieder verworfen.« Jenny überprüfte ein letztes Mal die Sensoren. »Legen Sie einen Raumanzug an.«
Max Brooks wandte sich bereits dem Depot zu, um den Befehl umzusetzen. »Das Shuttle ist nicht zu retten?«
»Die Fusions-Schmelze ist im Gang. Wir müssen sofort hier raus. Bestätigen Sie bitte mit Ihrem Codeschlüssel die Öffnung der Raumluke.«
Max Brooks nickte. Zuerst zögerlich, dann entschlossener, tanzten seine Finger über die Eingabe der Touch-Konsole. In der Zwischenzeit
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