Sternenfaust - 192 - Romanas Entscheidung
leuchtendes Gerippe aus Stahl und Glas. Wie zwei überdimensionale Ringe durchdrang ein aufrecht stehender Torus einen zweiten, der ebenso groß war. Die grüne Farbe stammte von Pflanzen, die unter der schützenden gläsernen Außenhaut zwischen den Stockwerken wuchsen. Den Sockel bildete ein quaderförmiges Bauwerk, dessen Fassade vollständig von den allgegenwärtigen Solarzellen umhüllt wurde.
Romana Hel’gara ließ sich mit dem Strom der Besucherinnen in das Gebäude tragen.
Die meisten wandten sich einer der vier gläsernen Liftkabinen zu, die hinauf in schwindelnde Höhen fuhren, deshalb nahm auch Romana Hel’gara zuerst diesen Weg. Aber als sie an einem Wegweiser mit der Aufschrift »Lesesaal« vorbeikam, der an den Liften vorbei in den rückwärtigen Trakt zeigte, erschien ihr dieses Ziel vielversprechender.
Sie durchquerte einen Gang, dessen Wände aus sich heraus zu leuchten schienen. Bis zur Decke hinauf reichten die Paneele, die nicht nur für die diffuse Beleuchtung verantwortlich waren, sondern auch für behagliche Wärme sorgten. Am Portal zum Lesesaal blieb Romana Hel’gara stehen. Unter ihr, abgetrennt durch eine breite Stiege, erstreckten sich Hunderte von Arbeitsplätzen, die allesamt mit halbtransparenten Flachbildschirmen ausgestattet waren. Die meisten von ihnen waren nicht besetzt, sodass sich Romana Hel’gara einen in der Nähe des Ausgangs aussuchen konnte, doch zuvor beobachtete sie die anwesenden Frauen, wie sie die versteckten Computer bedienten.
Sie setzte sich an den Tisch, und sofort erwachte die Tischplatte zum Leben. Anstelle der Holzmaserung leuchtete eine Matrix mit zwanzig mal fünfzig Symbolen auf.
Fast hätte Romana Hel’gara den Kopf geschüttelt, denn gedruckte Worte von Rea übersetzen zu lassen war etwas anderes als in ein Suchfeld die richtigen Symbole einzugeben.
Doch was sollte sie eingeben? Akoluthorum? Nur wenn die Ortungssysteme der STERNENFAUST das Wort aufgefangen und entsprechend decodiert hätten, wäre Rea in der Lage, hier bei der Übersetzung zu helfen.
Aber vielleicht genügte es, wenn sie Rea mit neuen Daten fütterte, die sie aus dem Zusammenhang mit bereits bekannten Wörtern extrapolieren konnte. Romana Hel’gara begann mit der Symbolfolge von Tanit, an die sie sich noch von der Bushaltestelle erinnerte. Erste Nachrichten trudelten auf dem Bildschirm ein, wenngleich ihr Informationsgehalt nicht mit den Datenspeichern der Wanagi auf Makato Zan mithalten konnte. Die meisten betrafen politische Verhandlungen zum Klimaschutz, die in den letzten Jahrzehnten geführt worden waren. Offenbar war das Klima auf Tana früher wärmer gewesen.
Mit jeder neuen Meldung, die keine Übersetzungslücke mehr enthielt, wurde Romana Hel’gara zuversichtlicher.
Schließlich dann stolperte sie über eine Meldung, die ihre Recherche beschleunigen sollte. Für jene Tibaa, die nichts hören konnten, war vor langer Zeit ein besonderer Service eingeführt worden. Jedes Empfangsgerät konnte so programmiert werden, dass es automatisch Schriftzeichen einblendete.
Nun konnte sie darangehen, Aufzeichnungen anzusehen, um die geschriebenen Wörter mit der richtigen Aussprache zu versehen. Wenn eine Tibaa mit ihr sprechen sollte, konnte die kleine kybernetische Einheit Romana Hel’gara die Lautschrift der Antwort einblenden. Dabei war Romana Hel’gara nicht wählerisch.
Sie ließ sich die Geschichte des Zentralarchivs ebenso erklären wie die Bedeutung der Pflanzen in seinen Zwischengeschossen. Sie verfolgte endlose Debatten für und wider die Klimaverschiebung, las über seltsame Gerichtsverhandlungen gegen Leugner der Klimakatastrophe, konzentrierte sich auf Wetterberichte vom Vorjahr und auf Kochrezepte mit Früchten, die nur noch auf dem Schwarzmarkt erhältlich waren, und fragte nach dem Turm im Zentrum von Tanit, der beinahe zur tödlichen Falle für Taro geworden war.
Ganz nebenbei erfuhr sie, dass die kleinen Papierzettelchen die gängige Währung darstellten, weil den Tibaa Kreditkarten aufgrund von Cyberanschlägen zu unsicher erschienen.
Immer schneller flogen ihre Finger über die Sensorfelder und immer schneller kam von Rea die Bestätigungsmeldung, dass sie alles verstanden hatte.
Aufatmend lehnte sich Romana Hel’gara in den Stuhl zurück. Sie war ein ganzes Stück weitergekommen, aber noch fehlte ihr eine Spur zu ihrem eigentlichen Ziel.
Akoluthorum , dachte sie.
Unbekannt , kam von Rea die Antwort, aber darunter baute sich eine Reihe von Symbolen
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