Sternenfaust - 197 - Gefangen im Nullum
hob Taro die Hände, doch er hatte keinerlei Kontrolle mehr über sie, während Mithras Fäuste auf ihn einschlugen.
Er spürte noch, wie Blut aus seiner Nase lief, während er sagte: »Okay, du hast gewonnen!«
»Schwachköpfiges Kind«, fuhr ihn Mithra an.
Doch dann ließ sie von ihm ab.
*
Mühselig rappelte sich Taro hoch. Er blinzelte, und als er wieder klar sehen konnte, erkannte er, dass ihm Mithra einen Becher mit Flüssigkeit hinhielt.
Taro war die Lust am Kämpfen und Streiten fürs Erste vergangen, also beschloss er, das unausgesprochene Friedensangebot anzunehmen.
»Ich muss verrückt gewesen sein, mich auf all das einzulassen«, sagte Mithra.
»Warum hast du es dann getan?«, wollte Taro wissen und nahm den Becher an die Lippen. Es war gewöhnliches Wasser, das auch noch schal schmeckte, aber es war dennoch genau das, was seine ausgetrocknete Kehle benötigte.
»Weil ich endlich Antworten haben möchte«, erwiderte Mithra.
»Da sind wir schon zwei«, sagte Taro.
»Es ist mir völlig gleichgültig, was du möchtest«, sagte Mithra. »Von mir aus versauerst du im Höllenfeuer des Nullum.«
»Warum bist du plötzlich so wütend?«, wollte Taro wissen.
»Das fragst du?«, fuhr ihn Mithra an.
Taro ging unwillkürlich einen Schritt zurück, weil er befürchtete, erneut einen Schlag von Mithra abzubekommen. Im Moment begann sein Gesicht bereits anzuschwellen, selbst das Trinken bereitete im Schmerzen. Er hatte ganz sicher kein Interesse daran, erneut mit Mithras Faust Bekanntschaft zu machen.
»Du hast mir nicht gesagt, dass du der Sohn von Rano bist«, fuhr Mithra ihn an.
»Ich wusste nicht, dass mein Vater der Sohn eines gewissen Asuro war«, erklärte Taro. »Ich habe ja selbst meinen Vater kaum gekannt.«
»Dennoch hättest du es mir sagen müssen«, warf ihm Mithra wütend vor.
»Warum? Weil du so offen zu mir warst?«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst!«
»Du hattest es die ganze Zeit über auf dieses Nullendako abgesehen.«
Mithra schien überrascht. »Das ist ja lächerlich«, sagte sie nur.
»Du weißt, dass ich recht habe!«, rief Taro. »Du wolltest mir nie beistehen. Du wolltest für dich etwas in Erfahrung bringen. Das ist die Wahrheit hinter deiner Großzügigkeit!«
»Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig«, erklärte Mithra.
»Dann schulde ich dir auch nichts«, erwiderte Taro.
Er nahm einen erneuten Schluck aus seinem Becher und kauerte sich auf der anderen Seite des Raums gegen die Wand.
Was auch immer geschah, nun war es an Mithra, den ersten Schritt zu tun. Er hatte ihr nichts mehr zu sagen.
*
Allmählich verfärbte sich das Licht im Raum, und Taro fragte sich, ob es etwas mit dem Mondlicht zu tun hatte, das angeblich den Startzeitpunkt für das Nullendako festlegen sollte.
Taro hatte sich geweigert, mit Mithra zu sprechen. Dummerweise erwies sie sich als genauso stur wie er.
Längst war Taro klar geworden, dass Mithra ganz sicher nicht den ersten Schritt tun würde. Also sagte er plötzlich: »Glaubst du nicht, es wäre ganz gut, wenn du mir erklären würdest, was es mit diesem Nullendako auf sich hat?«
»Das spielt kaum eine Rolle«, sagte Mithra abwehrend.
»Sogar der Bahmastro schien beunruhigt«, sagte Taro.
»Glaube mir«, erwiderte Mithra, »der Bahmastro kümmert sich nur um eines: sich selbst.«
»Warum hat er dann ein Problem damit, dass wir dieses Nullendako machen?«
»Vielleicht befürchtet er, dass ich die Wahrheit herausfinde«, sagte Mithra. »Oder er hat Angst vor seinem schlechten Gewissen, wenn wir wirklich in den ewigen Qualen des Nullums versinken.«
»Den ewigen Qualen des Nullums?«, fragte Taro nach.
»Es ist nicht mehr als eine Legende«, wehrte Mithra ab. »Aber es wäre möglich, dass der Bahmastro wirklich daran glaubt.«
»Ich war bereits im Nullum«, erklärte Taro. »Aber es hatte nichts mit Qualen zu tun. Im Nullum wurden alle meine Wünsche erfüllt.«
»Das war nicht das Nullum«, wehrte Mithra ab. »Das Ritual der Ankrilen infiziert dich nur mit etwas Anti-Prana-Energie. Es führt zu Halluzinationen. Alles anderes ist lachhafter Budenzauber.«
»Und das Nullendako?«, wollte Taro wissen.
»Beim Nullendako verschmilzt du mit der Energie«, erklärte Mithra. »Du wechselst in eine andere Dimension, und nur wenige kehren daraus zurück. Die wenigen, die es dennoch schaffen, sind – so sagt es die Legende – der Lüge nicht fähig. Alles, was sie sagen, gilt als Wahrheit, die unumstößlich
Weitere Kostenlose Bücher