Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
das ist noch nicht alles, Seth. Ich habe die offiziellen Logbücher des Schiffs durchforstet. Über den Unfall ist kaum je etwas geschrieben worden. Sie haben lediglich gesagt, der Unfall wäre durch einen Defekt bei den Luftschleusen verursacht worden und dass die Ursache irgendein Herstellungsfehler war.«
Das klang sonderbar. »Wenn es ein Herstellungsfehler gewesen wäre …«
»… hätte dieser Fehler schon beim ersten Benutzen der Luftschleuse auftreten müssen.«
»Dann müssen wir nur noch herausfinden, wie oft diese Luftschleuse zuvor benutzt worden ist und –«
»Fünfunddreißigmal. Sie ist fünfunddreißigmal ohne das geringste Problem geöffnet worden. Ich bin all die Wartungs-Logbücher durchgegangen, angefangen beim Start der Empyrean. «
»Das muss nicht notwendigerweise etwas zu bedeuten haben, aber ich stimme dir zu: Es klingt seltsam.« Seth seufzte. Er wollte nicht über diese Dinge nachdenken. So viele Jahre lang hatte er Waverly und seinen Vater davor beschützen wollen, dass die Wahrheit ans Licht kam – aber vielleicht war alles, was er erreichte, wenn er die Wahrheit zurückhielt, sie zu quälen. Und was seinen Vater anbelangte – es gab nichts mehr, das ihn noch hätte verletzen können.
»Mehr habe ich nicht finden können«, sagte sie. »Nicht ohne in die Suite des Captains zu schleichen und sein privates Logbuch zu lesen.«
»Glaubst du dort irgendetwas zu finden?«, sagte Seth kläglich. »Du wirst die gleichen Lügen finden. Nur mehr davon.«
»Lügen«, sagte sie nachdenklich und sah ihn aufmerksam an.
Er senkte den Blick.
»Du weißt irgendetwas.«
»Nichts mit Sicherheit.« Er lehnte seinen Kopf gegen die Rückenlehne der Couch. »Nur ein paar Dinge, an die ich mich erinnere. Aus der Zeit, als ich ein Kind war.«
»Erzähl sie mir«, sagte sie und legte ihre Hand auf seine. »Bitte, Seth.«
Aber er konnte an nichts anderes denken als an ihre schmale Hand, die auf seiner großen lag. Er würde sich nicht bewegen können, bis sie ihre Hand fortnahm, und schließlich nahm sie sie wirklich fort, lehnte sich zurück und sah ihn erwartungsvoll an.
»Alles, was ich zu bieten habe, ist eine Unterhaltung zwischen meinem Vater und dem Captain, die ich versehentlich mitgehört habe, als ich vier Jahre alt war. Sie haben gedacht, ich mache Mittagsschlaf, aber sie haben mich mit ihrem Gerede aufgeweckt.« Seth schloss die Augen und ließ zu, dass die Erinnerung an jenen Tag zurückkehrte – die Erinnerung an das, über das nachzudenken er sich nie gestattet hatte und das dennoch immer da gewesen war.
Es war der Zorn in der Stimme seines Vaters gewesen, der ihn geweckt hatte, und er hatte sich aufgerichtet, sich mit seinen pummeligen Fäustchen die Augen gerieben und die beiden Männer gehört, die sich anfauchten. Seth war in den Flur getapst, hatte sich dort auf den Boden gesetzt, die Arme um die Knie geschlungen und durch den Spalt in der Tür gelauscht.
»Sie hatte nichts damit zu tun«, hatte Mason Ardvale den Captain angefaucht. »Sie hätte so etwas gar nicht tun können.«
»Mason, es tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Es gibt nichts zu sagen. Am besten ist, du gehst einfach.«
»Ich würde einen Vorwurf wie diesen niemals äußern, wenn ich keine Beweise hätte.« Der Captain hatte einen Data-Dot aus seiner Tasche gezogen und ging zum Computerterminal in der Ecke des Raums. Lange Zeit schwiegen die beiden Männer. Seth spähte in den Raum hinein und sah sie über den Vidschirm gebeugt, die Gesichter in blaues Licht getaucht. Das Gesicht seines Vaters war absolut ausdruckslos, änderte sich dann aber zunehmend und spiegelte nun Entsetzen wider und schließlich tiefen Schmerz.
»Wir müssen sie fragen, was das zu bedeuten hat«, hatte Mason Ardvale gerufen. »Vielleicht gibt es dafür eine Erklärung.«
»Was gäbe es, das so etwas rechtfertigen könnte?«, hatte der Captain ruhig erwidert und den jüngeren Mann aufmerksam gemustert, als er sich zu ihm herübergebeugt und ihm eine seiner dicklichen Hände auf die Schulter gelegt hatte.
»Gib ihr eine Chance, die Sache zu erklären!«
»Sie wird ihre Chance bekommen«, hatte der Captain gesagt.
Seths Vater hatte ihn nicht ansehen wollen, und der große Mann schien erkannt zu haben, dass es Zeit war zu gehen. Captain Jones torkelte auf seinen ungelenken Beinen durch die Tür, und sein bärtiges Kinn streifte seine Brust, als wäre er ein Mann, der wusste, dass jetzt der Augenblick gekommen
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