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Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Titel: Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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sie sich in der Couch zurücksinken. Ihre Augen wirkten schläfrig, aber er wollte nicht zu reden aufhören. Er fragte sich, ob es irgendeine Art von Übergangsritual zum Erwachsenwerden war, sich im Vertrauen die Geheimnisse der eigenen Eltern zu erzählen.
    Er hatte immer geglaubt, dass es sich wie ein Verrat anfühlen würde, die Wahrheit über seinen Vater zu erzählen. Jetzt aber fühlte er sich das erste Mal, als wäre er sich selbst treu geblieben.
    »Seth«, sagte Waverly, »ich muss die Wahrheit wissen.«
    »Ich weiß nicht, ob es dazu jemals kommt.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass es dazu kommt.«
    Sie wirkte so entschlossen, so stark. Er wollte sie küssen. Er stellte sich vor, wie er sie an den Schultern zu sich heranziehen und seinen Mund auf ihren pressen würde. Nur um es auszuprobieren, um zu sehen, wie sie reagieren würde. Wäre sie nicht Waverly Marshall, sondern irgendein anderes Mädchen, würde er genau das tun. Aber wenn er bei ihr nur einen Fehler machte … Er wollte sich nicht einmal vorstellen, wie sehr es schmerzen würde, wenn sie ihn ein für alle Mal abwies.
    Immerhin hatte sie vor seinen Augen geweint. Hatte auch er etwas in ihr geöffnet?
    Er betrachtete sie, aber ihr Blick war prüfend, als wäre sie immer noch unentschlossen, ob sie ihm wirklich trauen konnte.
    Sie gehört nicht dir, rief er sich ins Gedächtnis. Das kann nicht sein.
    »Nun, du musst ziemlich müde sein«, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln.
    Geh nicht, wollte er sagen, aber dann nickte er nur.
    »Komm«, sagte sie und hielt ihm eine Hand entgegen.
    Sein Herz machte einen Satz, aber dann verstand er, dass sie ihm nur aufhelfen, ihm eine Stütze sein wollte. Langsam führte sie ihn ins Schlafzimmer ihrer Mutter, und er bemerkte, dass sie das Bett neu bezogen hatte.
    »Du bist zu schwer verletzt, um auf einer Couch zu schlafen«, sagte sie.
    Er wandte sich zu ihr um. Er wusste, dass sein Gesichtsausdruck zu viel verriet, dass sie jedes seiner Gefühle daraus ablesen konnte.
    »Gute Nacht«, sagte sie, drehte sich um und ging zu ihrem Schlafzimmer. Sie sah sich noch einmal nach ihm um, ehe sie die Tür zwischen ihnen schloss.
    »Gute Nacht«, sagte Seth zu dem leeren Korridor.

Der Angriff
    K ieran ließ den Blick über seine Gemeinde wandern und strahlte. Die Aula war noch nie so voll gewesen, noch nicht einmal an einem Sonntag, noch nicht einmal, seit er die Teilnahme am Gottesdienst zur Pflicht gemacht hatte. Nahezu jeder Platz war besetzt. Sogar Waverly war hier, in einer der mittleren Reihen, trug ein blaues Kleid und sah zu ihm hinauf. Da war irgendetwas in ihrem Verhalten, das festzumachen ihm schwerfiel. Bescheidenheit? Schuldbewusstsein? Vielleicht tat es ihr leid, wie ihre Unterhaltung gelaufen war, und nun war sie hier, um es wiedergutzumachen.
    Heute fühlte er sich besonders durchdrungen von seiner Rede. Seine Stimme war klarer, seine Worte kraftvoller, er selbst mehr von Freude durchdrungen, sein Herz offen. Er würde sie erreichen. Er wusste es.
    »Habt ihr jemals darüber nachgedacht, wie es kam, dass ihr auf diesem Schiff gelandet seid, statt auf der Erde zu bleiben, wo ihr auf einem Planeten leben müsstet, der sich vor euren Augen in eine Wüste verwandelt? Habt ihr euch jemals Gedanken gemacht, wie viele besondere Umstände in genau der richtigen Reihenfolge ineinandergreifen mussten, um euch zu einem der wenigen Auserwählten für die wichtigste Mission zu machen, die die Menschheit je unternommen hat?«
    Er räusperte sich, den Blick auf die flache, hölzerne Kante seines Podiums gerichtet. Er strich über die Kante und spürte das feste Holz unter seinen Händen. Es fühlte sich zuverlässig und wahrhaftig an.
    »Einige von euch erinnern sich vielleicht an Arthur Dietrichs Geschichte. Erinnert ihr euch noch? Wie seine Eltern den ganzen Weg über den Atlantischen Ozean auf einem Frachtschiff zurücklegen mussten? Die Maschinen des Schiffs gaben fünfhundert Meilen vor der Küste von Grönland den Geist auf, weil das schlechte Benzin sie zerstört hatte, und das Schiff trieb sechs Wochen lang in der Nordsee, die Menschen destillierten ihr eigenes Wasser und aßen nur das, was sie mit ihren Fischernetzen fangen konnten, bis endlich ein Kreuzfahrtschiff vorbeikam und sie in einen Hafen Neuschottlands schleppte. Sie mussten per Anhalter mit der Interkontinentalen Eisenbahnlinie fahren, auf dem Dach von Triebwagen, die nicht dafür ausgelegt waren, Menschen zu transportieren. Sie froren

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