Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
war, um traurig auszusehen.
Mom war in Schwierigkeiten, zumindest dessen war Seth sich sicher. Aber als seine Mutter an diesem Abend heimkam, eingehüllt in Getreidestaub von der Arbeit auf den Weizenfeldern, war sein Vater zwar still und in düsterer Stimmung, aber als sie ihn während des Abendessens fragte, was denn los sei, hellte sich seine Miene auf, und er sagte mit einem Lächeln: »Ach, ich freue mich nur auf meine freien Tage.«
Und so hatte Seth beschlossen, dass seine Mutter vermutlich doch nicht in so großen Schwierigkeiten steckte.
Wie viel Zeit verging? Eine Woche? Ein Monat? Seth wusste es nicht. Aber später, als er im Kindergarten war und wie immer allein mit Bauklötzen spielte, schrillte eine Alarmsirene durch das Schiff, und das Rotlicht flackerte auf. Er ließ die Bauklötze fallen, bedeckte seine Ohren mit den Händen und begann zu schreien. Die Erzieher hielten ihn an den Schultern und versuchten, ihn in Schach zu halten, als er gegen ihre Schienbeine trat. Die anderen Kinder starrten ihn an, manche von ihnen begannen zu weinen.
»Ich erinnere mich daran«, sagte Waverly und holte ihn damit in die unendlich schönere Gegenwart zurück. »Ich habe damals nicht verstanden, was dich so aufgebracht hat.«
»Ich verstehe es bis heute nicht.«
»Weil du es gewusst hast.« Waverly legte ihm eine Hand auf die Schulter. »O mein Gott. Seth, du wusstest, dass dein Vater etwas damit zu tun hatte!«
»Mit Sicherheit habe ich das nicht gewusst, und daran hat sich bis heute nichts geändert.« Seine Stimme klang schärfer, als er es beabsichtigt hatte. Sie rückte ein Stück von ihm ab. Er dämpfte seine Stimme. »Ich meinte etwas anderes. Ich verstehe bis heute nicht, wie ich damals in diesem Augenblick habe wissen können, dass meine Mutter tot war. Aber ich habe es gespürt. Es war, als hätte ich in einer Sekunde noch mit diesen dämlichen Bauklötzen gespielt, und in der nächsten war da plötzlich ein riesiges Loch in meinem Leben.«
Seth hatte nie zuvor jemandem davon erzählt, aber jetzt, da er sich gestattete, diese Worte auszusprechen, hatte er das Gefühl, das erste Mal seit Ewigkeiten wieder frei atmen zu können. Er wünschte sich, er könnte all seine Geschichten aus sich heraus- und in Waverly hineinfließen lassen, könnte ihr alles geben, was sie sich von ihm wünschte. »Vielleicht hast du in gewisser Weise trotzdem recht. Vielleicht habe ich wirklich erwartet, dass etwas passieren würde. Da war dieser Blick, mit dem mein Vater sie ansah, wann immer sie es nicht bemerkte. Wann immer sie ihn ansah, lächelte er, aber sein Lächeln erstarrte, sobald sie sich umwandte, und dann schaute er sie an wie … ich weiß es nicht … wie ein Raubtier seine Beute, kurz bevor es sich auf sie stürzt. Ich kannte diesen Blick, selbst in diesem Alter schon.« Waverly hörte ihm ruhig zu, nahm jedes Wort an, ohne es zu werten. »Er wollte ihr weh tun.«
»Aber weshalb?«, fragte sie. In ihren Augenwinkeln sammelten sich Tränen. »Warum haben sie meinen Vater getötet?«
Seth konnte nur den Kopf schütteln. »Ich weiß nicht, was sie getan haben, um den Captain derart aufzubringen.«
»Genug, um zu töten.« Eine Träne rann ihre Wangen hinab. Ohne darüber nachzudenken, hielt Seth seinen Finger an ihre Wange, fing die Träne von ihrer Haut und zerdrückte sie auf der Innenseite seines Daumens. Die ganze Zeit über sah er sie aufmerksam an.
»Erinnerst du dich an deinen Vater?«, fragte er sanft.
»Nur kurze Erinnerungsfetzen«, flüsterte sie. »Manchmal frage ich mich, ob ich die Erinnerungen aus Dingen entwickelt habe, die meine Mutter mir über ihn erzählt hat.«
»Ich weiß, was du meinst.«
»Für dich war es schlimmer als für mich. Immerhin war mein verbliebener Elternteil gut zu mir«, sagte sie, hielt dann jedoch inne und sah ihm in die Augen.
»Du hast es gewusst?«, sagte er, und plötzlich war ihm kalt. »Wie mein Vater mich behandelt hat?«
Kurz zögerte sie, wirkte unschlüssig, doch dann sagte sie: »Alle haben es gewusst.«
»Und niemand hat irgendetwas getan, um es zu beenden«, sagte er, und die Kälte in seinem Inneren nahm zu.
»Er war der beste Freund von Captain Jones«, sagte Waverly, doch dann schien ihr klarzuwerden, dass sie versuchte, sich herauszureden. »Nein. Du hast recht. Es war falsch, dass niemand eingeschritten ist, um dir zu helfen.«
»Erstaunlich, mit was Leute alles durchkommen, wenn sie nur genug Macht besitzen.«
Waverly nickte, dann ließ
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