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Sternenflut

Sternenflut

Titel: Sternenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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noch geradeaus schauen konnte. Auf den letzten paar Metern mußte er Satima über glitschige Algen ziehen und darauf achten, daß ihre Wunden nicht wieder aufplatzten. Seit einigen Minuten kam sie ihm klarer vor. Ihr delphinisches Quieken nahm allmählich Form an und klang wie Trinärworte.
    Ein Pfiff ließ Toshio aufblicken. Keepiru war nur vierzig Meter weit vom Strand entfernt und steuerte den Schlitten auf ihn zu. Der Fin trug einen Atmer, aber den Signalpfiff konnte er immer noch ausstoßen.
    »Satima!« schrie Toshio dem verwundeten Delphin zu. »Schwimm zum Schlitten! Schwimm zu Keepiru! Binde sie an eine Luftkuppel!« rief er sodann zu Keepiru hinüber. »Und behalte den Sonarmonitor im Auge! schwimm hinaus, wenn du eine Welle kommen siehst!«
    Keepiru warf den Kopf hin und her. Als Satima etwa dreißig Meter weit hinausgeschwommen war, zog er sie mit dem Schlitten in tieferes Wasser.
    Das waren fünf. Damit blieben noch Hist-t und Hikahi. Toshio kletterte über die Wasserpflanzen hinauf und stolperte noch einmal durch das Buschwerk. Das Gelände seiner Sinne schien ebenso zerfetzt und trostlos zu sein wie die Insel, über die er taumelte. Für einen einzigen Tag hatte er zu viele Leichen gesehen – zu viele tote Freunde.
    Er begriff jetzt, daß er die ganze Zeit über unfair gegen die Fins gewesen war.
    Es war ungerecht gewesen, ihnen vorzuwerfen, sie würden ihn necken. Es war nicht ihre Schuld, daß sie so waren. Ungeachtet aller Genmanipulationen durch den Menschen, waren die Delphine auf der Ebene gutmütigen Spottes mit der Menschheit umgegangen, seit der erste Mensch in einem Einbaum aufs Meer hinausgepaddelt war. Dieses erheiternde Bild hatte genügt, um ein Muster zu prägen, das sich durch das Liften allenfalls verändern, aber nicht eliminieren ließ. Und weshalb sollte man es eliminieren? Toshio sah jetzt, daß die Menschen, die er auf Calafia gekannt hatte und die am besten mit den Delphinen hatten arbeiten können, eine ganz spezielle Persönlichkeit besessen hatten: Sie zeigten zumeist eine Mischung aus Dickfelligkeit und Sicherheit sowie einen bereitwilligen Sinn für Humor. Niemand arbeitete lange mit den Fins, wenn er sich nicht ihre Achtung verdienen konnte. Toshio hastete auf eine graue Gestalt zu, die im Unterholz lag. Aber nein. Es war wieder Ssattatta. Die letzte Welle hatte sie hierher getragen. Toshio stapfte weiter. Den Delphinen war sehr wohl bewußt, was die Menschheit für sie getan hatte. Das Liften war ein schmerzhafter Prozeß. Aber keiner von ihnen würde freiwillig zum Wal-Traum zurückkehren.
    Die Fins wußten außerdem, daß der lockere Regelkodex, der das Verhalten der galaktischen Rassen untereinander bestimmte – Regeln, die seit Äonen in der Bibliothek festgelegt waren –, den Menschen die Möglichkeit gegeben hätte, von ihren Klienten hunderttausend Jahre Dienstbarkeit zu verlangen. Aber bei diesem Gedanken hatte die Menschheit ein kollektiver Schauder überkommen. Homo sapiens sapiens selbst war ja kaum so alt. Falls die Menschheit doch einen Patron dort draußen hätte, einen, der stark genug wäre, diesen Titel zu beanspruchen, dann würde diese Spezies nicht auch noch Tursiops amicus als zusätzlichen Bonus einsacken. Es gab keinen Fin auf der Welt, der sich dieser Haltung der Erde nicht bewußt gewesen wäre. Delphine gehörten zum Terragenen-Rat und auch Schimpansen.
    Toshio sah ein, wie sehr seine Worte bei dem Kampf im Meer Keepiru verletzt haben mußten. Am meisten bereute er, was er über Calafia gesagt hatte. Keepiru würde bereitwillig tausend Tode sterben, um die Menschen von Toshios Heimatwelt zu retten. Toshios Zunge würde abfallen, bevor er solche Dinge noch einmal sagte. Jemals.
    Er wankte auf eine Lichtung. Dort, in einem seichten Tümpel, lag ein Tursiops-Delphin. »Hikahi!«
    Der Fin war zerschunden und zerschlagen. Feine Blutrinnsale überzogen seine Flanken. Aber Hikahi war wach. Als Toshio auf sie zustürzen wollte, rief sie ihn an. »Bleib da, Scharfauge! Rühr dich nichtt! Wir haben Gesellschaft.«
    Toshio blieb wie angewurzelt stehen. Hikahis Befehl war deutlich. Gleichwohl war es dringend nötig, sich um sie zu kümmern. Die Fleischwunden, die sie davongetragen hatte, sahen unangenehm aus. Wenn Metallsplitter unter der Haut saßen, müßte man sie schleunigst entfernen, ehe die Blutvergiftung einsetzen konnte. Außerdem würde es nicht leicht sein, Hikahi ins offene Meer hinauszuschaffen.
    »Hikahi, gleich wird eine neue Welle kommen.

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