Sternenflut
unverhältnismäßig hohen Umfang mit Disziplinarmaßnahmen belege.«
»Sie sprechen von einigen der Stenos, nehme ich an.«
Metz machte ein gepeinigtes Gesicht. »Eine umgangssprachliche Bezeichnung, die sich anscheinend eingebürgert hat, wenngleich alle Neo-Fen taxonomisch als Tursiops amicus betrachtet werden müssen...« »Ich habe die Lage im Schnabel, Dr. Metz.« Creideiki scheute sich nicht länger, den Mel zu unterbrechen. »Es geht hier um subtile gruppendynamische Vorgänge, und ich wende, wie ich glaube, effektive Techniken an, um die Mannschaftssolidarität aufrechtzuerhalten.« Nur etwa ein Dutzend der Stenos ließ Unzufriedenheit erkennen.
Creideiki vermutete, daß es sich um Fälle von streßbedingtem Atavismus handelte, um einen Vernunftsverfall, ausgelöst durch Angst und entsprechenden Druck. Der angebliche Experte Dr. Metz hingegen schien zu glauben, die Mehrheit der Streaker -Besatzung betreibe Rassendiskriminierung. »Implizieren Sie damit, daß auch Takkata-Jim solche Probleme hat?« fragte Creideiki.
»Ganz gewiß nicht! Er ist ein überaus beeindruckender Offizier! Die Erwähnung seines Namens erinnerte mich nur daran, weil...« Metz verstummte.
Weil er ein Stenos ist, vollendete Creideiki in Gedanken an seiner Statt.
Ob ich Metz sagen soll, daß ich daran denke, Hikahi zum Vize-Captain zu machen? So fähig Takkata-]im auch ist, seine verdrießliche Isolation wirkt sich allmählich nachteilig auf die Mannschaftsmoral aus. Ich kann mir das bei meinem Stellvertreter nicht leisten.
Creideiki vermißte Lieutenant Yachapa-Jean, die im Seichten Sternenhaufen umgekommen war.
»Dr. Metz, da Sie dieses Thema zur Sprache bringen, muß ich Ihnen sagen, daß ich zwischen den psycho-biologischen Profilen bestimmter Mitarbeiter, wie sie vor dem Start angefertigt worden waren, und ihren nachfolgenden Leistungen auch schon vor der Entdeckung der verlassenen Flotte einige Diskrepanzen habe feststellen müssen. Ich bin natürlich kein Ceta-Psychologe, aber in bestimmten Fällen bin ich davon überzeugt, daß die betreffenden Fen gar nicht erst an Bord hätten kommen dürfen. Haben Sie dazu einen Kommentar?« Metz’ Gesicht war steinern. »Ich bin nicht sicher, ob ich weiß, wovon Sie reden, Captain.«
Creideikis Geschirr sirrte, als ein Arm nach vorn klappte, um eine juckende Stelle über dem rechten Auge zu kratzen. »Ich habe nur wenige Anhaltspunkte, und ich glaube, demnächst werde ich mich auf das Captainsprivileg berufen und Ihre Aufzeichnungen einsehen wollen. Streng inoffiziell natürlich. Vielleicht halten Sie sie bereit, und ich komme...« Ein Summton unterbrach ihn. Er kam von dem Intercomanschluß an seinem Geschirr. »Ja, sprechen Sie!« befahl er. Einige Augenblicke lauschte er einer blechernen Stimme, die über die Neuralkupplung an sein Gehör drang.
»Alles stoppen«, antwortete er schließlich. »Ich komme sofort. Creideiki Ende.«
Er richtete einen Sonarstrahl auf die Abtastplatte neben der Schleusentür. Die Luke öffnete sich summend. »Das war die Brücke«, erklärte er Metz. »Ein Scout ist gekommen, mit Nachrichten von Tsh’t und Thomas Orley. Man braucht mich. Aber wir werden in Kürze über diese Angelegenheit sprechen, Doktor.«
Mit zwei kraftvollen Schlägen seiner Schwanzflosse war Creideiki durch die Schleusentür geschwommen und unterwegs zur Brücke.
Ignacio Metz sah dem Captain nach.
Creideiki ahnt etwas, dachte er. Er ahnt, daß ich Spezialstudien durchführe. Ich werde etwas unternehmen müssen. Aber was?
Die Bedingungen des Belagerungsdrucks sorgten für phantastische Datenausbeute vor allem bei den Delphinen, die Dr. Metz in die Besatzung der Streaker eingeschmuggelt hatte. Aber jetzt geriet manches außer Kontrolle. Einige seiner Subjekte zeigten Streßsymptome, mit denen er nicht gerechnet hatte.
Und jetzt mußte er sich zusätzlich zu seinen Sorgen über die ETFanatiker auch noch mit Creideikis Argwohn befassen. Es würde nicht leicht sein, ihn auf die falsche Spur zu bringen. Metz wußte geniale Begabung zu würdigen, vor allem bei einem gelitteten Delphin. Wenn er doch einer von meinen wäre, dachte er. Wie gern würde ich mich seiner rühmen!
23. Gillian
Die Schiffe hingen im Raum wie dichte Reihen loser Perlen, die das schwache Leuchten der Milchstraße matt reflektierten. Die nächstliegenden Sterne waren die dunklen, rötlichen Greise eines kleinen, kugelförmigen Haufens, Überbleibsel aus der ersten Epoche der Sternformation – ohne
Weitere Kostenlose Bücher