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Sternenflut

Sternenflut

Titel: Sternenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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hatte einmal einen Sommer damit zugebracht, alte Weltraumromane aus den Tagen vor dem Kontakt zu lesen. Wie offen und freundlich diese altertümlichen, fiktionalen Universen ihr erschienen waren! Selbst die seltenen »Pessimisten« unter den Autoren hatten die beengte, bedrük-kende, gefährliche Realität nicht annähernd getroffen. Das Nachdenken über die Tandu erweckte in ihr das melodramatische Bedürfnis, einen Dolch mit sich herumzutragen, um das uralte, letzte Vorrecht einer Menschenfrau auszuüben, sollten diese mörderischen Kreaturen sie je in ihre Fänge bekommen.
    Der schwere, organische Humusgeruch überlagerte hier das scharfe Metallaroma, das überall am Wasser vorherrschte. Das Unwetter der letzten Nacht hatte dieses Aroma aufgefrischt. Grüne Laubwedel schwankten leise im sanften Wehen der immerwährenden Passatwinde von Kithrup. Tom muß seine Feuerinsel inzwischen gefunden haben, dachte sie. Sicher ist er schon bei den Vorbereitungen für sein Experiment. Wenn er noch lebt.
    An diesem Morgen war sie sich dessen zum ersten Mal nicht mehr sicher. Dabei war sie so fest davon überzeugt gewesen, daß sie seinen Tod spüren würde, wo und wann es auch geschehen mochte. Aber jetzt war sie verwirrt. In ihrem Kopf ging alles drunter und drüber, und sie konnte nur eines mit Sicherheit sagen: In der vergangenen Nacht waren schreckliche Dinge passiert.
    Gegen Sonnenaufgang hatte sie zuerst die Vorahnung beschlichen, daß Tom etwas zugestoßen sei. Sie konnte diese Ahnung nicht genauer fixieren, aber sie nagte in ihr. Außerdem hatte sie in der Nacht eine Serie von Träumen erlebt.
    Da waren Gesichter gewesen. ET-Gesichter, ledern, gefiedert und geschuppt, mit Zähnen bewehrt die einen, mit Zangen die anderen. Sie jammerten und heulten, aber sie, trotz ihrer kostspieligen Ausbildung, konnte kein einziges Wort, keinen Sinnglyph, verstehen. Einige in diesem Gewirr von Gesichtern hatte sie im Schlaf erkannt – ein xappisches Astronautenpaar, welches starb, als sein Schiff zerfetzt wurde, einen Jophur, der beim Anblick seines blutenden Armstumpfs qualmumwölkt heulte, eine Synthierin, die dem Walgesang lauschte, während sie ungeduldig hinter einem vakuumkalten Steinbrocken wartete.
    Im Schlaf war Gillian ihnen hilflos ausgesetzt gewesen. Plötzlich war sie mitten in der Nacht aufgewacht, als ein Zittern ihre Wirbelsäule wie eine Bogensehne vibrieren ließ. Schweratmend lag sie in der Finsternis, und sie fühlte, wie ein verwandtes Bewußtsein sich an den Grenzen ihrer Empfindung in Qualen wand. Trotz der Ferne schmeckte Gillian das ambi-valente Aroma dieses flüchtigen Psi-Glyphs. Es war zu menschlich, um nur von einem Fin, zu cetaceisch, um bloß von einem Menschen sein zu können.
    Und dann brach es ab. Die psychische Attacke war vorüber. Sie wußte nicht, was sie damit anfangen sollte. Aber welchen Nutzen hatte Psi, wenn seine Botschaften zu undurchsichtig waren, als daß man sie entschlüsseln konnte? Ihre genetisch verstärkte Intuition erschien ihr plötzlich als grausame Täuschung. Schlimmer als unnütz.
    Ein paar Augenblicke blieben ihr noch von ihrer Stunde. Sie verbrachte sie mit geschlossenen Augen, sie lauschte den ansteigenden, abfallenden Geräuschen, mit denen die Brecher ihren endlosen Kampf gegen das westliche Ufer führten. Baumäste schwankten und raschelten im Wind. Verwoben mit dem Knarren von Stämmen und Ästen drang auch das hohe, zwitschernde Quieken der vorbewußten Aborigines, der Kiqui, an Gillians Ohr. Von Zeit zu Zeit konnte sie Dennie Sudmans Stimme hören. Sie sprach dann in eine Maschine, die ihre Worte in den Hochfrequenzdialekt der Kiqui übertrug. Obwohl sie täglich zwölf Stunden arbeitete und Dennie bei den Kiqui half, spürte Gillian immer wieder schuldbewußt, daß sie eigentlich Ferien machte. Sie rief sich in Erinnerung zurück, daß die kleinen Eingeborenen von äußerster Wichtigkeit seien und sie an Bord des Schiffes im Grunde nur Däumchen drehte.
    Aber eines der Gesichter aus ihrem Traum war ihr den ganzen Vormittag über nicht aus dem Sinn gegangen. Erst vor einer halben Stunde war ihr klargeworden, daß es ihre eigene, unterbewußte Vorstellung von dem Aussehen gewesen sein mußte, das Herbie gehabt haben mußte, dieser uralte Kadaver, der für alle Probleme verantwortlich war.
    In ihrem Traum, kurz bevor sie diese unheilvollen Vorahnungen empfunden hatte, da hatte das längliche, entfernt huma-noide Gesicht des Alten sie angelächelt und langsam mit den

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