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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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leicht bitteres, neidvolles Gefühl. Und ich hätte nicht zu sagen gewusst, wen ich mehr beneidete, Kelos oder Dari.
    Vielleicht erlaubte ihr dämlicher Schatten es ja wirklich, Glück zu erlangen? Natürlich nicht überall. Eine derart ideale Gesellschaft gab es nicht. Aber vielleicht war diese Welt zum Leben geeignet.
    »Gibt es hier viele Städte?«, fragte ich, mich nicht nachvollziehbaren Assoziationen überlassend.
    »Überhaupt keine.«
    Dari fasste nach der Hand seines Vaters. »Ist es interessant in der Stadt, Papa?«
    »Meiner Meinung nach nicht sehr.«
    »Warum bauen die Leute auf anderen Planeten dann Städte?«
    »Sie fürchten sich vor der Einsamkeit.«
    Eine gute Minute schwieg der Junge. »Und in einer Stadt gibt es keine Einsamkeit?«, fragte er dann.
    »Gerade da gibt es welche. Nur merkst du es nicht.«
    Ich konnte mich nicht zurückhalten und mischte mich mit dem gleichen kindlichen Enthusiasmus wie Dari ins Gespräch ein. »Sind hier alle dieser Ansicht, Kelos?«
    »Ja. Natürlich.«
    Dari ließ seinen Vater los und griff nach meiner Hand. Anscheinend traute er sich nicht, mich mit Namen anzusprechen, und hielt die Berührung für den besseren Gesprächsanfang. »Bist du daran gewöhnt, in der Stadt zu leben?«
    »Im Großen und Ganzen ja. Aber dein Vater hat recht, es ist nicht der beste Ort zum Leben.«
    »Bist du ein Soldat? Wie Papa?«
    Ich hatte den Eindruck, Kelos äugte verstohlen zu mir herüber.
    »Ich habe nicht sehr lange gekämpft«, sagte ich vorsichtig. »Das ist keine schöne Sache, der Krieg.«
    Teufel auch, was ließ ich denn da bloß für Allerweltsweisheiten vom Stapel! Eine Sonntagspredigt für außerirdische Kinder …
    »Stimmt, das sagt Papa auch«, erwiderte Dari. »Alle, die im Krieg waren, sagen das. Aber trotzdem haben sie alle gekämpft.«
    Vielleicht dachte er einfach laut, vielleicht legte er auch eine Ironie an den Tag, die ganz und gar nicht kindgemäß war.
    »Hat dir als Kind niemand gesagt, dass der Krieg schlecht ist, Pjotr? Papa hat man ja beigebracht, ein Soldat zu sein. Deshalb hat er auch gekämpft.«
    »Lass den Mann zufrieden, Dari!«
    »Langweilt es Sie denn, sich mit mir zu unterhalten?«, fragte der Junge.
    »Nein, es langweilt mich nicht.« Ich seufzte. »In meiner Kindheit hat man mir beigebracht, dass der Krieg eine schmutzige, aber unvermeidliche Angelegenheit ist. Und dass du, wenn du Frieden willst, für den Krieg rüsten musst. Und dass man manchmal für die Wahrheit kämpfen muss.«
    »Damit alle glücklich werden«, bemerkte Kelos amüsiert.
    »Nein. Um sich selbst zu verteidigen. Gegen diejenigen, die dich glücklich machen wollen.«
    »Und du bist sicher, dass die Kristallene Allianz nicht auch deinen Planeten beehrt hat?«, fragte Kelos. »Ich habe solche Worte schon von …«
    Er verstummte.
    »Was ist die Kristallene Allianz?«, fragte Dari prompt.
    »Wir sind fast da.« Diesmal ignorierte Kelos die Frage. »Lauf und weck Mama.«
    Wir traten aus dem Wald heraus. Genauer gesagt, wir traten nicht ganz heraus, denn der Wald dünnte sich lediglich aus, verwandelte sich in eine Art gepflegten Park. Vor uns lag, umstanden von Bäumen, ein Haus, nur ein oder zwei Stockwerke hoch, aber von enormer Ausdehnung. Ein wenig erinnerte es mit seiner finsteren Strenge der Linien und dem krampfhaften Versuch, wie eine Burg zu wirken, an alte englische Villen.
    »Die Kristallene Allianz …«, verlangte der Junge energisch.
    »Das erkläre ich dir nachher, Dari. Geh jetzt vor.«
    Der Junge rannte los und verschmolz mit den Schatten der Bäume.
    »Ich habe mich wohl verplappert«, brach ich das Schweigen.
    »Nein. Das war … mein Fehler. Ich habe schon lange nicht mehr mit einem Soldaten gesprochen … schon gar nicht mit einem, der frisch von der Front zurück ist. Ich will darüber aber nicht in Daris Anwesenheit reden. Verstehst du das?«
    »Nicht ganz.«
    Kelos seufzte. »Es ist schwer, den Krieg nicht zu romantisieren.«
    »Dafür reicht es, ihn einmal erlebt zu haben.«
    »Schon möglich. Aber ich will nicht, dass Dari anfängt, von einer militärischen Laufbahn zu träumen.«
    »Aber hier gibt es doch gar keinen Krieg.«
    »Bei uns nicht! Sag mal, bist du wirklich so naiv, Pjotr?«
    »Dann sprich halt überhaupt nicht über den Krieg«, schlug ich vor. »Soll der Junge doch glauben, die Welt sei gut und herrlich.«
    Diesen Vorschlag hätte Kelos mir auch verübeln können, doch er schüttelte nur den Kopf. »Dazu habe ich auch kein Recht, Pjotr.

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