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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Alters, irgendwo zwischen dreißig und vierzig. Nach meiner Begegnung mit dem uralten Galis hielt ich mich mit Altersschätzungen bei der hiesigen Bevölkerung etwas zurück. Dunkle Haut, allerdings wohl nicht von der Sonne, sondern von Natur aus, glattes schwarzes Haar. Ein sehr ruhiges Gesicht, ernst, aber nicht angespannt. Nur tief in den Augen machte ich stechende Funken aus, als hätte er nicht sein ganzes Leben auf einem Floß verbracht und nervöse Fremdlinge aus dem Wasser gezogen. Er erinnerte ein wenig an Danilow, auch wenn er kräftiger war, viel kräftiger. Solche Männer gefallen jungen Frauen auf den ersten Blick. Ich würde wahrscheinlich nie so werden. Er trug nur Shorts aus silbrigem Stoff, was mich sofort an Nik Rimer und die Geometer denken ließ.
    »Vielen Dank«, sagte ich noch einmal.
    Der Mann schwenkte die Laterne langsam hin und her, um nun mich anzuleuchten. Blinzelnd ließ ich die Inspektion über mich ergehen.
    »Du hast ja vielleicht eine Narbe, mein Freund«, sagte er voller Anteilnahme und senkte die Laterne. »Sie ist frisch, oder? Wer hat denn solche Zähne?«
    »Ein Metamorph«, antwortete ich mit einem tiefen Seufzer.
    »Verstehe. Geh davon aus, dass du glimpflich davongekommen bist. Ist er weit weg?«
    »Er ist tot.«
    Der Mann schwieg. Doch in seinem Blick las ich die Frage: Wie?
    Nein, ich konnte ihn nicht anlügen.
    »Ich … bin auch ein Metamorph. In gewisser Weise.«
    »Verstehe. Bei uns ist das nicht üblich.«
    »Gut. Ich habe auch nicht vor …«
    Er nickte, als sei alles Gesagte nebensächlich, weshalb man nicht weiter darauf eingehen müsse. Wenn ich versprochen hatte, mich nicht in ein Monster zu verwandeln, gut, dann wäre diese Sache ja geklärt.
    »Kelos. So heiße ich. Dieser Name bedeutet nicht das Geringste. In keiner einzigen Sprache der Welt des Schattens. Deshalb gefällt er mir auch.«
    »Guten Tag, Kelos. Ich bin Pjotr. Das bedeutet ebenfalls in keiner Sprache des Schattens etwas.«
    »Da irrst du dich. Im Dialekt der Ur-Erde heißt das Wort Hüter.«
    Er lächelte.
    »Hüter?«, wiederholte ich begriffsstutzig.
    »Hüter, Bewahrer, Saboteur. Es kommt darauf an, welche Periode du nimmst, aber mir gefällt die erste Bedeutung am besten. Nein, ich bin nicht von dort. Guck nicht so erstaunt!«
    »Tu ich ja gar nicht.«
    Kelos nickte. »Bist du schon lange bei uns?«
    »Erst seit Kurzem. Ich bin durch das Tor gekommen.«
    »Verstehe. Das merkt man sofort. Du brauchst keine Angst zu haben.«
    War das zu glauben? Er war es, der mich beruhigte!
    »Und sprich etwas leiser, du weckst sonst meinen Sohn auf.«
    Ich nickte. Ich schielte nach hinten, auf dem »Heck« des Floßes war eine Art Zelt errichtet worden. Automatisch fielen mir die Abenteuer von Huckleberry Finn ein.
    »Natürlich«, sagte ich leise.
    »Erleben wir gerade ein Abenteuer?«, erklang es aus dem Zelt.
    Kelos breitete die Arme aus. »Das war’s dann wohl«, sagte er ohne allzu große Verärgerung. »Die Bitte wird wegen Hinfälligkeit zurückgezogen … Genau, Dari! Wir erleben ein Abenteuer!«
    Aus dem Zelt krabbelte auf allen vieren ein Junge von etwa zehn Jahren heraus. Er war ebenfalls dunkelhäutig, wenn auch heller als Kelos. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, musterte er mich eingehend.
    »Ich befürchte, ich bin ein recht langweiliges Abenteuer«, brummte ich.
    Der Junge schien da anderer Meinung zu sein. Im Nu war der Schlaf auf seinen Augen verschwunden.
    »Ist das Ihre Uniform?«, fragte er laut.
    »Dari!« Kelos stieß einen Seufzer aus.
    »Entschuldigen Sie.«
    Der Junge wurde verlegen. Ein netter Junge, der seine kindliche Offenheit und Direktheit noch nicht verloren hatte.
    »Ich heiße Dari«, stellte er sich ein wenig förmlich vor.
    »Pjotr«, antwortete ich im selben Ton.
    Der Junge atmete tief durch. »Ist das eine Kriegsuniform?«, fragte er dann. »Oh …«
    Kelos drohte ihm. »Kinder lassen nie locker«, meinte er mit gequältem Lächeln. »Besser, du antwortest ihm.«
    »Ja«, sagte ich. »Und die Narbe an der Wange …«
    Als ich Kelos’ Blick auffing, setzte ich fort: »Die ist von einem Monster, das es hier nicht gibt. Aber ich habe keine Waffe bei mir, Ehrenwort. Überhaupt habe ich nichts Interessantes dabei. Nicht mal einen Stein von einem anderen Planeten.«
    »Schade«, sagte der Junge ernst. »Wo ich sie doch sammle.«

Sechs
     
    Die Laterne stellte sich als ziemlich kompliziertes Ding heraus. Auf ihr wärmte Kelos nämlich auch unser etwas spätes Abendessen auf,

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