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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Diamantseide gewebten Vorhang hindurch.
    Schluchzend stürzte Higar auf sie zu, zerriss den Vorhang und fiel vor ihr auf die Knie.
    ›O Zalida, ich habe einen Kuss verdient …‹
    ›Warum musstest du den Vorhang zerreißen?‹, rief Zalida aus.«
    Das konnte doch nicht wahr sein!
    Entsetzt starrte ich den Schrank an, über den ich mich so gefreut hatte.
    Liebesromane!
    Nur war dieses Horrorgenre, gedacht für alte Jungfern und sentimentale Mädchen, auf der Erde anders aufgemacht! Nicht so akademisch und streng. Den Umschlag hatte eine tief dekolletierte Schönheit im Halbprofil zu zieren, damit sich auch ja jede Frau in ihr wiedererkennen konnte. Neben ihr musste ein prachtvolles Mannsbild stehen, zum Kusse über sie gebeugt und ganz den allgemeinen Vorstellungen des weiblichen Geschmacks entsprechend. Auf dem einen Titelbild bildeten ein Brünetter und eine Blondine das Pärchen, auf dem anderen ein Blonder und eine Brünette. Jedes hundertste Buch durfte mit einem rothaarigen Galan und einer Holden in einem Nachen gestaltet werden …
    Asche auf mein Haupt! Wie konnte ich nur so auf die ungewohnte Gestaltung hereinfallen? Wollte ich diese Bücher lesen, um Information aus ihnen zu ziehen, könnte ich ebenso gut eine Nadel im Heuhaufen suchen. Das Einzige, was mir auffiel, war, dass der leidende Held die schmachtende Heldin verließ und durch ein Tor ging, worauf nach hundert oder zweihundert Seiten die Heldin ebenfalls durch ein Tor stürmte, um ihren Helden zu suchen. Und natürlich fand sie ihn. Wenn man wenigstens ein paar Worte darüber verloren hätte, wie man mit diesen Toren umging …
    Es gab übrigens im Text keine einzige Illustration, auf der Menschen dargestellt gewesen wären. Es gab nur Landschaften, abstrakte Klecksereien und meisterlich ausgeführte Stillleben. Aber kein einziges Gesicht. Ob solche Darstellungen aus religiösen Gründen verboten waren wie bei den Moslems oder ob man einfach nicht auf die Idee gekommen war? Wenn Letzteres zutraf, würde ich hier meinen Weg machen. Allein mit der Idee, Liebesromane in grellen Umschlägen zu verpacken, würde ich so viel Geld scheffeln, dass ich mir ein Haus kaufen könnte … Verdammt! Wahrscheinlich hatte der Cualcua nicht ganz unrecht. Ich ließ mich gehen. Träumte von einem Haus. Dazu dann noch eine Trommel und eine junge Bulldogge, später würde ich heiraten …
    Ich schloss den Schrank, kämmte mich und verließ das Zimmer. Aus irgendeinem Grund wünschte ich, die anderen würden noch schlafen. Es gehörte sich ja eigentlich nicht, aber ich wollte durchs Haus streifen, richtige Bücher suchen und versuchen, mit dem hiesigen Informationsnetz zurechtzukommen …
    In der großen Halle, die wie bei den Amerikanern direkt hinter der Eingangstür lag, saß Rada. Sie las.
    »Guten Morgen«, sagte ich leise.
    Die Frau sah auf. »Guten Morgen, Pjotr. Hast du gut geschlafen?«
    O ja, sie war garantiert älter als ich. Wesentlich älter. Unter dem trügerisch jungen Äußeren verbarg sich eine Lebenserfahrung, von der ich nur träumen konnte. In ihr steckte Kraft … neben ihr fühlte ich mich klein und schwach.
    »Ja, danke. Ich fühle mich wie neugeboren.«
    »Komm, ich mache dir Frühstück. Meine Männer schlafen noch.« Rada legte das Buch beiseite. Unwillkürlich schielte ich auf den Deckel, der ebenfalls sehr streng aufgemacht war. »Der Tempel von Annas Urahn. Ich wollte mal wieder einen der Klassiker lesen.«
    »In dem Zimmer, in dem ich geschlafen habe, stehen auch viele Bücher«, tastete ich mich vor.
    »Da? Ach ja …« Rada lachte. »Das letzte Mal hat meine Freundin dort geschlafen … sie hat uns im letzten Monat besucht. Aber das sind doch bloß Liebesromane!«
    Immerhin, sie las diesen Kram nicht.
    »Das ist mir auch aufgefallen. Sehen bei euch alle Bücher so aus? Ohne Bilder auf den Einbänden und … ohne Menschen in den Illustrationen?«
    »Das sind doch nicht-adaptierte Ausgaben«, erklärte sie erstaunt. »Na, damit sie …« Rada geriet in Verlegenheit. »Jetzt rede ich schon wie mit einem kleinen Kind mit dir, Pjotr! Nimm’s mir bitte nicht übel!«
    »Das tue ich nicht.«
    »Das ist eine billige Ausgabe. Für den gesamten Schatten. Und sie verzichtet auf alle Illustrationen, die eventuell eine Rasse aufbringen könnten.«
    Lass dir das erklären!, fiepte der Cualcua.
    »Wäre das denn möglich?«
    »Glaubst du wirklich, eine sentimentale alte Frau würde ein solches Buch lesen, wenn darin Bilder von zwei Spinnen enthalten

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