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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Grenzen des Vorstellbaren hinausgewachsen ist.«
    »Diese Welt … in die ich zuerst geraten bin …«
    »Etwas in dir wollte genau das. Einen realen, wenn auch primitiven Feind. Und gleichzeitig die Gewissheit, wie sinnlos ein solcher Krieg ist. Du hast bekommen, was du wolltest. Und als Zugabe den Sieg über den Metamorphen. Stimmt’s nicht? Wahrscheinlich verkörpert er eine Angst von dir … einen Komplex …«
    Ich zuckte zusammen, als hätte ich einen Schlag erhalten. »Aber sie kämpfen weiter, Kelos!«, schrie ich los. »Ich habe bekommen, was ich wollte – aber sie bringen sich ununterbrochen um!«
    »Das heißt nur, dass dort diejenigen leben, die genau das wollen, Pjotr. Jedem das Seine …«
    Ich erschauderte.
    »Sie finden Gefallen an dieser brutalen und gefährlichen Form des Widerstands … Ihre Qualen und der hoffnungslose Kampf bereiten ihnen Freude … Es sind emotional arme Menschen … ohne jede Begabung …«
    »Und bereit zu sterben?«
    »Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen.« Kelos zögerte kurz. »Wie soll ich dir das erklären, Pjotr?«
    Alles in mir verkrampfte sich, denn ich wusste bereits, was er sagen würde.
    »Es gibt keinen Tod. Diejenigen, die durch ein Tor gegangen sind, sterben nie.«
    Warum schwieg ich?
    Ich müsste doch einen hysterischen Anfall kriegen. Auf die Knie fallen und Gott preisen … den es unter diesen Bedingungen garantiert nicht mehr gab und nie geben wird …
    Guten Tag, Paradies. Guten Tag, Hölle. Guten Tag, Schatten.
    »Du bist bereits ein Teil des Schattens, Pjotr … Man kann dich umbringen. Aber danach fängst du ein neues Leben an. Auf dem Planeten, den du dir wünschst. Zusammen mit deinem Feind, damit ihr beide euern Kampf zu Ende austragen könnt. Oder auf einem beschaulichen, friedlichen Planeten, auf dem diejenigen leben, die des Tötens müde sind. Als Mensch, als Vogel, als denkender Kristall …«
    Kelos trat an mich heran und legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Auch du bist schon gestorben, Pjotr«, sagte er sanft. »Ich weiß nicht, was dir mit diesem Metamorphen passiert ist … aber ich habe den Blick erkannt, mit dem du mich angesehen hast. Es gibt keinen Tod. Ich bin schon dreimal erschossen worden. Ruhig und höflich. Ohne besondere Bosheit. Einmal bin ich gemeinsam mit meinem Schiff umgekommen … aber auch das ist nicht der Rede wert. Die Welt ist einfach verblasst …«
    »Es gibt keinen Tod«, sagte ich. Leere und banale Worte. Gut, dann gab es ihn eben nicht … Es gibt ihn sowieso nicht, entweder liegt er noch vor uns, oder wir leben bereits nicht mehr. »Und was ist mit denjenigen … die nicht durch ein Tor gegangen sind?«
    »Das weiß ich nicht. Früher hatten die Tore einfach keine Bedeutung für sie. Aber in was sich die Tore heute verwandelt haben und woher sie ihre Informationen haben, das kann ich nicht sagen. Aber …«
    Also habt ihr nur nicht lange genug gelebt. Ihr, meine verhinderten Eltern … der echte Pjotr Chrumow … ihr alle, die ihr auf dem kleinen Planeten Erde gelebt habt und gestorben seid. Wissenschaftler und Bauern, Dichter und Soldaten, Sklaven und Tyrannen. Ihr habt an Gott geglaubt oder Atheismus gepredigt, ihr habt von der Unsterblichkeit geträumt, habt eine Philosophie geschaffen wie Fjodorow, oder habt fremdes Leben getrunken wie Gilles de Rais … Ihr Heiligen und Henker, ihr Genies und Tölpel … ihr alle habt nicht lange genug gelebt! Jetzt seid ihr dort, hinter jener Grenze. Und ich bin hier. Im gemütlichen Schatten.
    Ich bin durch ein Tor gegangen.
    Das Konklave wird die Erde in Schutt und Asche legen, die Geometer werden die Planeten des Konklaves vergiften und auf den Ruinen ihr kleines Imperium der Freundschaft errichten, und ich werde leben. Gut essen und weich schlafen. In fremden Armeen kämpfen und an fremden Universitäten studieren.
    Alles ist erlaubt, ja?
    Wenn mir der Sinn danach steht, ein Tyrann zu sein, komme ich in eine Welt voller Sklaven. Wenn ich ein Sklave sein möchte, lasse ich mich in Ketten schmieden. Ich lasse mir Scheinfüßchen wachsen und mutiere zu einer Amöbe. Oder ich lege mir vier weitere Beine zu und lerne, ein Spinnennetz zu weben. Oder ich werde wieder ein Mensch. Ich schaffe mir einen Harem an, gründe eine Religion und verfasse einen Sonettenkranz. Ich baue ein Haus, pflanze einen Baum, erziehe einen Sohn.
    Vor mir lag die Ewigkeit.
    Ich weinte, in dem weichen Sessel zusammengekrümmt. Kelos streichelte mir über die Schulter, als beruhige er ein Kind.

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