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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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tobte. Ich konnte nicht mitansehen, wie diese Welt in einem Meer aus Feuer ertrank … trotzdem näherten wir uns. Im besten Kreuzer der Allianz, der sogar die Photosphäre der Sterne durchdringen konnte … wir näherten uns …«
    Ich sah das, wovon er redete. Ich konnte mir diese lodernde Welt vorstellen. Und den Kreuzer, der über ihr schwebte, eingehüllt in Kraftfelder, ein Kreuzer voller Menschen … einfacher Menschen, die versuchten, ihr Imperium auf den Scherben des Schattens aufzubauen …
    »Auf dem Planeten war alles unversehrt, Pjotr. In den Wäldern schwirrten Vögel herum, in den Meereswellen spielten Delphine. Die Städte standen … alte Städte … ich habe immer davon geträumt, sie einmal zu sehen … Durch die Straßen gingen Menschen. Kannst du dir das vorstellen?! Die Welt ging in Flammen auf- und merkte es nicht einmal! Als ob es in zwei voneinander isolierten Räumen geschähe. Dabei haben wir doch das Feuer gesehen, und der Schutzschild hat unter der Last geächzt. Doch durch die von Plasma durchwogten Straßen schlenderten die Menschen. Wie Automaten. Wie Aufziehpuppen, die niemand mehr braucht, bei denen die Feder aber noch nicht abgelaufen und der Mechanismus noch intakt ist … Es war schrecklich. Und schmerzlich – als ob man uns mit der Nase in unsere eigene Armseligkeit gestukt hätte. Wir versuchten, mit diesen Menschen in Kontakt zu treten, aber niemand bemerkte uns. Dann schlug vom Planeten eine Protuberanz empor … und die Kraftfelder hielten nicht mehr stand. Sie ging mitten durch unser Schiff durch. Es leuchtete kurz auf, dann stand alles in Flammen … doch selbst wenn uns der Schweiß ausbrach – dann nur wegen der Angst. Es war ein Gefühl, wie es einige verspüren, wenn sie durch ein Tor gehen. Als werde man erfasst. Irgendwann war alles vorbei. Wir hatten gesehen, was wir sehen wollten – und flogen wieder ab. Diejenigen, die in dieser Welt lebten, brauchten und fürchteten die Gesellschaft von Menschen nicht mehr. Beim Abzug feuerten wir auf den Planeten, was das Zeug hielt. Weil wir gekränkt und wütend waren. Ebenso gut hätten wir versuchen können, ein Meer anzuzünden. Und du behauptest … wir seien stehen geblieben. Wer will, der geht auch weiter, Pjotr. Der eine früher, der andere später.«
    »Aber du willst nicht weitergehen?«
    »Nein. Ich weiß nicht, warum nicht. Aber ich habe den Menschenkörper und alle Annehmlichkeiten, die mit ihm verbunden sind, noch nicht satt.«
    »Kelos, bist du sicher, dass dein Sohn diesen friedlichen und beschaulichen Planeten nicht verlassen will? Dass er keine Abenteuer im Kosmos suchen will?«
    Kelos stierte auf die Tür. »Mein Sohn …«, sagte er mit schmerzerfüllter Stimme. »Rada und ich hatten sechs Kinder, Pjotr. Und früher oder später … ist jedes von ihnen weggegangen. Uns genügt diese Welt. Aber für sie war sie zu klein und zu langweilig.«
    Wozu hatte ich bloß diese Frage gestellt?!
    »Man kann auch so leben. Indem man die kleinen menschlichen Freuden sucht. Kleine Kinder aufzieht, die in die große Welt hinausgehen und eines Tages als körperloser Schatten durch deinen Planeten hindurchfegen … und sich genauso wenig an dich erinnern wie du dich an deinen Teddy, den du einst so geliebt hast. Nachdem unsere jüngste Tochter uns verlassen hat, haben wir beschlossen, es damit bewenden zu lassen. Wir wollten keine Kinder mehr in die Welt setzen.«
    »Aber Dari …«
    »Er ist nicht mein Sohn. Er ist überhaupt kein Mensch.« Kelos schielte zu mir hinüber. »Lass dich nicht durch die Äußerlichkeiten unserer Welt täuschen, Pjotr. Auf meinem Tisch steht eine Stereoanlage. Wenn du die Augen schließt, glaubst du, es würde ein Orchester spielen. Dabei ist das Ding innen völlig leer.«
    »Dari …«
    »Für ihn gilt genau das Gleiche. Er ist ein Phantom. Ein Ersatz. Ein Spielzeug für Menschen, die ihrer Nostalgie erliegen. Er wird ewig Kind bleiben. Und niemals ein Mensch werden.«
    Das traf mich wie ein Schlag.
    Wohin war ich nur geraten? Bei wem suchte ich Hilfe und Mitleid?
    Was war ich doch für ein Idiot …
    »Wir spielen ein wenig Wissenschaft, auch wenn all unsere Entdeckungen in anderen Welten schon längst wieder in Vergessenheit geraten sind. Wir kämpfen für den Erhalt der wilden Natur … die ohnehin nicht sterben würde, selbst wenn wir es wirklich darauf anlegten. Wir bewahren die Familien und nehmen nicht zur Kenntnis, dass das Nachbarmädchen schon ein halbes Jahrhundert lang sechs Jahre

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