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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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kannte.
    Pjotr! Pjotr! Pjotr!
    »Schrei nicht so …«
    Die Worte blieben mir im Hals stecken. Mein Mund war voller Schnee. Ich lag am Fuße eines Hügels und erinnerte mich sogar vage daran, wie ich ihn hinuntergestürzt war, mich überschlagen hatte, über die Schneewehen geholpert, auf unter dem Schnee verborgene Steine geschlagen war, vor Schmerz geschrien hatte …
    Die Rezeptoren sind betäubt. Die Regeneration des beschädigten Gewebes erfolgt.
    Der Cualcua gab aber nicht lange Ruhe.
    Pjotr! Pjotr!
    »Halt endlich das Maul!«
    Als ich mich hochrappelte, schmerzte mein ganzer Körper. Wenn ich bei betäubten Rezeptoren dermaßen litt – was war dann mit mir geschehen?
    Oho!
    Als ich den Hang hinaufspähte-, gewann der Cualcua meine uneingeschränkte Hochachtung. Meinen armen Körper nach einem solchen Fall wieder zusammenzubasteln – das war eine hübsche Arbeit für einen Gerichtspathologen. Ich war einen zweihundert Meter hohen Hang hinuntergestürzt, der derart steil war, dass kein noch so fanatischer Bergsteiger sich getraut hätte, ihn zu erklimmen. Zumindest nicht bei diesem Wetter.
    Ein Schneesturm setzte ein. Nein, das war falsch, er setzte nicht ein, sondern er war hier zu Hause. Der Wind war zwar nicht sehr stark, aber das diffuse Gefühl, er würde sich selbst in Wochen nicht legen, wollte mich nicht verlassen. Winzige Hagelkörner schlugen mir in die Augen. Die trübe rote Scheibe der Sonne hing gotterbärmlich am Himmel. »He, Cualcua, erinnerst du dich noch an den Frischen Wind?«, fragte ich. »Sind wir vielleicht bei den Geometern gelandet?«
    Die Schwerkraft und die Atmosphäre sind hier anders.
    »Aha. Danke.«
    Vielleicht war ich ein kompletter Vollidiot. Und zur Strafe bekam ich jetzt ein kurzes und inhaltsarmes Leben in einer Schneewüste … für ein paar Stunden, bis ich erstarrte.
    »Dann verrat mir doch bitte, ob es hier Leben gibt!«
    Der Cualcua antwortete nicht gleich. Wahrscheinlich benutzte er nicht nur meine Sinnesorgane, vermutlich sah er sich auch noch mit seinen eigenen Augen um, beschaffte sich mit Mitteln, die mir nicht zur Verfügung standen, Informationen …
    Ja. Dreh dich nach links. Noch weiter. Stopp! In dieser Richtung, etwa einen Kilometer entfernt.
    So angestrengt ich auch in die Richtung spähte, ich vermochte nichts zu erkennen.
    Aber jetzt gab es keine Alternative mehr. Wenn du erst handelst und dann nachdenkst – was soll dabei schon Gutes herauskommen?
    Ich schleppte mich durch den Schnee. Der Cualcua erfüllte mir meine Bitte und schwieg. Die Arbeit an meinem Körper setzte er jedoch fort, und ich spürte, wie meine Wahrnehmungsfähigkeit zurückkehrte und gleichzeitig die Kälte verschwand. Es war seltsam … das hatte ich schon einmal erlebt … ein Deja-vu … Nein, das war wirklich nicht die Welt der Geometer. Natürlich nicht. Aber wenn man ehrlich ist, bedeutet der ganze Schatten doch nun, im Kreis herumzulaufen. Die endlose Aufführung eines seit Langem einstudierten Stücks. Aus dem man nur herauskommt, wenn man aufhört, ein Mensch zu sein. Aber was tut man, wenn man genau das nicht will? Die Philosophen, Psychologen und Schriftsteller haben gut reden, wenn sie über das Schicksal der Menschheit sinnieren. Sie würde aussterben, über sich hinauswachsen, weitergehen, eine neue Stufe der Entwicklung erreichen … Ich will das nicht! Ich … ich will das nicht! Aber es gibt keinen anderen Ausweg, und deshalb werde ich mir den Kopf an den Felsen der Ur-Erde einschlagen, den Samen für die Tore herauskratzen, mich erniedrigen und betteln, dass man uns wenigstens diese Rettung, die mir so widerwärtig ist, zuteil werden lässt …
    Durch den Schneeschwaden hindurch nahm ich vor mir dunkle Schatten wahr. Ich blieb stehen und rieb meine tauben Hände gegeneinander. Das sah aus wie Türme. Und Baracken. Ein Dejà-vu. Heda, Wendige Freunde …
    »O …«
    Dieser Laut, ganz in meiner Nähe, ließ mich zusammenfahren. Ich ging in die Hocke. Stöhnte da jemand?
    Nein.
     
    Ach du mein Heimatland,
    So ungebunden weit …
     
    Das klang eher nach einem Lied. Als ob jemand, der kaum Gehör oder Stimme besaß, in der Kälte versteinerte Worte vor sich hinmurmelte.
     
    Du freies, großes Land …
     
    Schließlich entdeckte ich den Sänger. Eine gekrümmte, eingeschneite Figur, in einem überdimensionalen, groben Pelzmantel. Es sah nicht so aus, als sei der Mann erfroren. Er saß auf einem Holzklotz, das Gesicht den Baracken und Türmen zugewandt, und murmelte in

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