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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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hoch zur Decke. Es war eine Waffe mit Munitionskugeln, nur dass die Kugeln loderten, als sie sich in die Decke bohrten. Sie flammten auf wie der Sternenhimmel, der so prächtig über dem Schatten leuchtete.
    »Aufstehen!«, schrie ich.
    Die Gefangenen purzelten wie Erbsen aus ihren Betten. Ich ließ meinen Blick über die verängstigten Gesichter schweifen, über diese einfachen, dummen Gesichter, wie es sie zuhauf auch auf Mütterchen Erde gab.
    Warum war das Mütterchen eigentlich für uns die Erde und für die Geometer die Sonne?
    Jene Grenze, die mit Worten nicht zu beschreiben war …
    »Danilow!«, schrie ich. »Saschka!«
    Die Gefangenen wichen vor mir zurück und drängten sich in einer Ecke der Baracke zusammen.
    »Saschka!«, wiederholte ich, wobei ich eine zweite Salve in die Decke feuerte. Knisternd rieselten Funken herab.
    »Pjotr?«
    Ich ging durch die Baracke, die MPi im Anschlag. Bei einer Pritsche setzte ich mich auf den Rand. Wenigstens hatte sich Danilow das untere Bett sichern können. Alle Achtung.
    »Hallo, Pjotr«, sagte er.
    Danilow lag auf einer groben Felldecke. Er trug einen grau-blauen Overall und derbe Schuhe.
    »Stehen Sie auf, Oberst!«, sagte ich. »Die Hilfe ist eingetroffen!«
    Danilow sah mir in die Augen.
    »Und wo sind deine Züge mit dem Kerosin, mein Junge?«
    »Im Arsch. Steh auf! Es gibt keine Züge, Sascha. Ich habe nicht die Absicht, dich freizukaufen.«
    »Das ist ungerecht, Pjotr.«
    »Natürlich.« Ich hatte nicht vor, mich mit ihm zu streiten. »Es gibt keine Gerechtigkeit und wird sie auch nie geben. Ich nehme dich von hier mit. Und wenn ich dafür hundert Wachtposten umlegen muss, werde ich das tun. Glaubst du mir das?«
    »Ja. Wir sind Gefangene unseres Schicksals, Pjotr. Verstehst du das denn nicht?«
    »Nein, das verstehe ich nicht. Und deine Träume sind mir scheißegal.«
    »Pjotr … jeder muss seine Rechnungen begleichen …«
    Sprach da wirklich Saschka Danilow? Der Liebling aller? Der Herzensbrecher und vorbildliche Familienmensch? Dem alle jungen Piloten nacheiferten? Der Held der Krimkrise?
    »Jeder trägt Schulden ab. Stehen Sie auf, Oberst! Die Heimat braucht Sie.«
    »Ich kenne meinen Preis, Pjotr. Dreißig Waggons mit Kerosin.«
    »Masut.«
    »Kerosin, Petja … Die Jagdflugzeuge brauchen Kerosin …«
    Ich zog Danilow am Kragen ein Stück hoch und schüttelte ihn. »Komm zu dir, Soldat!«
    Wie kann ich dich brechen, Saschka Danilow, Oberst des FSB und unübertroffener Fuhrmann? Wie kann ich dich aus diesem Albtraum herausziehen, aus dieser Welt, in der du ein Verbrecher bist und ein Held und ein Henker und ein Opfer? Wie kann ich dich brechen – um deiner selbst willen? Um der Erde willen?
    »Uns hat niemand Gerechtigkeit versprochen, Sascha …«
    »Eben!«
    Entspannt und völlig unerschüttert lag er auf seiner Pritsche. Bestand auf dem Recht, seinen Albtraum zu leben. Bestand auf seiner persönlichen und verdienten Zwangsarbeit.
    »Saschka …«
    Ohnmacht und Panik ließen mich fast in Tränen ausbrechen. War doch alles umsonst gewesen? Ich konnte mich aufbrauchen. Mich in den einen Wunsch verwandeln, Oberst Alexander Danilow zu finden, obwohl ich mit ihm weder verwandt noch verschwägert war. Alles war möglich. Nur dass für ihn diese Welt eben die einzig richtige und die einzig reale war. Die Welt, in der er unverdrossen für den dumpfen Seufzer der Vakuumbombe bezahlte, die die Hetman Masepa in Asche verwandelt hatte, jenes Symbol der militärischen Ambitionen der Ukraine, aber auch für die Menschen, in deren Adern das gleiche Blut fließt wie in unseren, die aber niemals durch ein Tor gehen werden …
    Ja, Saschka, du bist ein Kriegsverbrecher. Das lässt sich nicht schönreden. Ich wäre es auch geworden, wenn ich etwas früher geboren worden wäre. Dann würde auch ich mich jetzt vor Scham und Verzweiflung winden, ohne zu wissen, wie ich meine Heimat lieben kann, die zwar immer noch bereit ist, für mich zu zahlen, mich aber nicht mehr beschützen will …
    »Saschka …«
    Was konnte ich ihm sagen? Er hätte mein Vater sein können, und nie im Leben würde ich sein Freund werden. Er war ein Verräter und ein Verbündeter in einer Person. Ein Kämpfer und ein Verbrecher, ein Ritter des Ruhmesordens und jemand, der am Ende doch nicht vor dem Londoner Tribunal gestanden hat, wo die Amis Russen und Ukrainer mit solch heiliger Freude in den Tod geschickt haben …
    Alexander, du verhinderter Sieger, wie soll ich dir erklären, was ich verstanden

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