Sternenschimmer
»Ich war im Irrtum und deshalb hätte ich beinahe den größten Fehler meines Lebens begangen.«
Vorsichtig stand ich auf. Meine Schritte klangen unsicher auf dem Steinboden wider, als ich zu ihm hinging. »Du wolltest dein Schicksal steuern«, reichte ich ihm meine Worte nun ruhiger. »Anscheinend geht das aber nicht.«
»Nein, daran lag es nicht. Der Grund ist vielmehr, dass es gar nicht mein Schicksal war «, erwiderte er, als müsste das jedem klar sein. »Ich hatte mich getäuscht, verstehst du? Dass die Begegnung zwischen Der Hand und mir so ausgegangen ist, geschah, weil ich einen anderen Sinn habe.«
Blitzschnell hielt ich mir die Ohren zu. »Ich will nichts mehr davon hören!«
Er strich sich über die aufgesprungene Lippe. »Mia.«
»Vielleicht ist dein Sinn ja einfach nur, dass du lebst, und mal hier und da beschützt«, sagte ich. »Ja, ganz bestimmt ist es so.« Ich musste ihn irgendwie überzeugen. Ich musste einfach.
»Mia, hör mir zu …«
»Ob Sinn oder nicht«, fiel ich ihm ins Wort. »Versprich mir, dass du den Dingen in Zukunft ihren Lauf lässt.«
»Ich muss dir etwas …«
»Warum kämpfst du nicht dagegen an? Der Preis für deinen Sinn darf doch nicht dein Leben sein!«
»Das geht nicht … man kann nicht …«
»Es muss gehen!«, rief ich geradezu hysterisch. »Wenn es dich nicht mehr gäbe, das wäre …« Ich blinzelte eine Träne weg. In meinem Kopf schwirrten tausend und ein Gedanke.
»Mia!«, unterbrach er mich nun mit aller Deutlichkeit.
Ich sah ihn an.
Er sah zu mir hinab. Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, und seine grauen lichtdurchfluteten Augen schauten so unergründlich tief in mich hinein, dass es schmerzte.
»Du bist mein Sinn.«
18
W as?«, entfuhr es mir nach einer extrem langen Weile der Sprachlosigkeit. Ich war verwirrt, irritiert und völlig perplex. »Du machst Witze?«
Er schwieg.
Ich schwieg ebenfalls, zunächst, aber dann lachte ich nervös auf. »Das ist kein Witz. Du meinst es ernst.«
»Mein Sinn ist es, dich zu beschützen, Mia.«
Ich hob die Hand. »Moment, ich … das muss ich erst mal kurz verdauen.« Wieder und wieder versuchte ich, seine Worte zu begreifen. Und schließlich befürchtete ich zu ahnen, was er meinte. Erst sah ich zu ihm hin, dann weg – und wieder zu ihm hin. Langsam ging ich ein paar Schritte zurück. »Du meinst, ich bin der Grund, weshalb du sterben wirst?«
Er trat an das Gitter heran. »So darfst du das nicht sehen«, sagte er ruhig. »Du bist der Grund, weshalb ich lebe.«
Fassungslos starrte ich ihn an. »Und was bedeutet das jetzt?«
Er stützte eine Hand in die Hüfte und massierte mit der anderen seine Stirn. Abschließend fuhr er sich über das Gesicht. »Das bedeutet, du spielst für Loduun irgendeine Rolle. Aber ich habe keine Ahnung, welche.«
»Okay«, brachte ich zittrig hervor.
»Sonst werden wir nicht nur wegen einer Person geboren.«
»Es sei denn, diese Person ist wichtig für Loduun oder einen eurer Clans – oder so«, schlussfolgerte ich, wie ich fand, noch ziemlich geistreich, für das, was er mir da gerade um die Ohren gehauen hatte.
Iason hielt sich am Gitter fest und presste die Stirn daran. »Mein Sinn ist es, dich zu beschützen«, sagte er. »Ich weiß nur nicht, warum und wie. Das verkompliziert die Sache.«
»Ungemein.« Ich schluckte.
»Das wird schwer für mich«, gestand er.
Ich griff an mein Kinn. »Jetzt lass mich das Ganze mal logisch angehen.«
Iason warf mir einen skeptischen Blick zu.
»Eines ist sicher«, überlegte ich, ohne seine Zweifel zu beachten. »Du hast gesagt, dass ein Wächter erst dann stirbt, wenn er nicht mehr gebraucht wird. Deshalb hast du überlebt. Du wirst also noch gebraucht, und zwar von mir.« Je mehr ich darüber nachdachte, desto logischer fand ich es eigentlich.
Er schnaubte verärgert, offenbar war er da anderer Meinung.
»Dadurch, dass ich mich ausliefern wollte, hätte ich uns beinahe beide umgebracht.«
Ich schluckte.
Seine Finger spreizten sich, ehe sie zu Fäusten wurden. »Das wird nicht mehr vorkommen.«
Ich sah ihn an. »Was ist, wenn die Person, die angeblich ein Sinn sein soll, gar kein Sinn sein will?«
Für diesen Einwand erntete ich ein Seufzen. »Ich hatte befürchtet, du könntest so etwas sagen.«
»Und? Was ist dann?«
Er seufzte erneut. »Sie kann es nicht entscheiden«, meinte er daraufhin. »Das Schicksal kann man nicht so einfach steuern. Haben wir das nicht gerade beide erfahren?«
Wenn du wüsstest,
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