Sternenschweif 09 - Flug durch die Nacht
verlässt … Die Worte verschwammen vor Lauras Augen. Nur mühsam unterdrückte sie die aufsteigenden Tränen. Sternenschweif musste auserwählt worden sein! Brachte ihn das fremde Einhorn etwa schon heute Nacht nach Arkadia zurück? Würde er vielleicht nie wieder zu ihr zurückkehren?
Laura stürzte zum Fenster. Doch dort sah sie Sternenschweif friedlich im Mondlicht grasen. Einen verrückten Moment lang dachte Laura, sie hätte sich das alles nur eingebildet. Aber sie hatte die beiden Einhörner so sicher zusammen fliegengesehen, wie Sternenschweif jetzt unten auf der Weide stand.
Erschöpft sank sie auf die Bank vor ihrem Fenster. Das Einhorn hatte Sternenschweif nur einen Besuch abgestattet. Aber schon in der nächsten Nacht …
„Oh, nein!“, flehte Laura. „Sternenschweif kann nicht nach Arkadia gehen!“
Aber je länger sie nachdachte, desto mehr Sinn ergab alles. Der Morgen, an dem Sternenschweif so still gewesen war – in dieser Nacht musste ihn das Einhorn zum ersten Mal besucht haben. Und er war nicht traurig gewesen, weil seine Zauberkraft schwand, sondern weil er wusste, dass er sie verlassen würde.
Aber warum hatte er ihr nichts davon erzählt? Früher oder später hätte er es dochsowieso sagen müssen. Es sei denn … Sie hatte plötzlich ein ganz flaues Gefühl im Magen. Er hatte überhaupt nicht vorgehabt, es ihr zu erzählen, sondern wäre in irgendeiner Nacht einfach verschwunden!
„Aber so etwas würde er niemals tun“, sagte sie sich. Doch welche Erklärung gab es sonst für sein seltsames Verhalten? Und warum hatte er sie angelogen?
Laura zitterte am ganzen Körper. Ihre Zähne klapperten. Trotz der milden Nacht fror sie wie im tiefsten Winter. Ihr bester Freund hatte sie verraten!
Wie betäubt kroch sie unter die Decke. Erst dann ließ sie mit einem lauten Schluchzen ihren Tränen freien Lauf.
Am nächsten Morgen wäre Laura am liebstengar nicht aufgestanden. Zum ersten Mal wollte sie nicht nach Sternenschweif sehen. Aber wenn sie niemandem in der Küche begegnen wollte, musste sie sich beeilen. Ihre Eltern sollten nicht sehen, dass sie geweint hatte.
Zu Lauras Überraschung wieherte Sternenschweif ihr fröhlich entgegen. Dann schmiegte er seinen Kopf an ihre Schulter, als seien sie immer noch die allerbesten Freunde. Laura fühlte sich hundeelend. Sie wusste genau, warum er so zufrieden war. Er hatte die ganze Nacht mit dem anderen Einhorn verbracht und seine Rückkehr nach Arkadia geplant! Sie schubste seinen Kopf weg. „Ich hole dein Frühstück“, sagte sie mit zitternder Stimme. Ohne Sternenschweifs überraschten Blick zu beachten, hastete sie davon.
„Da!“ Mit einem Scheppern knallte sie den gefüllten Eimer vor ihn auf den Boden. Als Sternenschweif an ihrer Hand schnuppern wollte, zog sie sie rasch zurück.
Er steckte seinen Kopf in den Eimer und schaute sie unter seinem Stirnschopf hervor frech an. Dann prustete er das Futter in die Luft. Sonst musste Laura immer über diesen Scherz lachen. Aber dieses Mal spürte sie nur einen kalten, schweren Stein dort, wo sonst ihr Herz schlug. Wie konnte er nur so herumalbern, wenn sie sich bald für immer trennen mussten?
Bestimmt hatte das andere Einhorn ihn davon überzeugt, dass es richtig war, einfach so zu tun, als ob nichts wäre.
Ihre Kehle schnürte sich zusammen und einpaar Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte davon.
Sternenschweif wieherte ihr aufgeregt hinterher. Doch Laura zwang sich dazu, nicht stehen zu bleiben, sondern weiterzulaufen. Sein Ruf klang noch in ihren Ohren, als sie das Haus längst erreicht hatte und donnernd die Tür zuschlug.
Kurze Zeit später klingelte das Telefon.
„Hallo!“, begrüßte Mel sie bester Laune. „Wollen wir gemeinsam ausreiten?“
„Nee, eigentlich nicht.“ Laura hatte nicht die geringste Lust, irgendetwas mit Sternenschweif zu unternehmen.
„Nanu?“, fragte Mel verwundert. „Was ist denn mit dir los?“ Laura bemerkte, wie abweisend sie geklungen hatte. Blitzschnell suchte sie nach einer Ausrede. „Ich glaube, ich kriege eine Erkältung. Mein Hals tut furchtbar weh.“
„Ach so. Na, dann hoffe ich, dass es dir bald wieder besser geht. Ich melde mich heute Abend noch mal. Vielleicht können wir uns ja morgen treffen.“
„Mal sehen“, flüsterte Laura und legte den Hörer auf.
Sie starrte aus dem Fenster. Sternenschweif stand immer noch am Gatter, seine Ohren waren erwartungsvoll gespitzt. Er sah aus, als
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