Sternenschweif 09 - Flug durch die Nacht
„Einen Tag ging es Sternenschweif noch gut und am nächsten Tag war er plötzlich ganz verändert. Erst meinte er nur, er sei müde, aber dann hat er mir erzählt, dass seine Zauberkräfte schwinden. Er ist so unglücklich! Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn immer lieb haben werde, selbst wenn er nur ein ganz normales Pony ist. Aber er glaubt mir nicht.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte nicht weinen. „Ich bin so traurig, Mrs Fontana. Ich würde alles tun, um ihm zu helfen, wirklich alles!“
„Das weiß ich doch, Laura!“ Mrs Fontana zögerte. „Es ist nur so ein Gedanke … Vielleicht ist etwas passiert und Sternenschweif hat dir noch nicht alles erzählt. Einhörner verlieren ihre Magie nicht für immer. Das gibt es einfach gar nicht.“
Lauras Herz schlug schneller. „Sind Sie sicher?“
Mrs Fontana nickte bedächtig.
„Aber warum schwinden seine Kräfte dann? Warum kann er nicht mehr fliegen?“
„Das weiß ich nicht“, gestand Mrs Fontana. „Ich vermute nur, dass Sternenschweif dir etwas verheimlicht. Du solltest versuchen, mit ihm darüber zu reden. Doch sei vorsichtig“, warnte sie. „Bedränge ihn nicht zu sehr. Sonst verschließt er sich vielleicht ganz.“
Hatte Sternenschweif wirklich Geheimnisse vor ihr? Laura schwirrte der Kopf. „Ich verstehe das nicht. Er ist mein allerbester Freund – warum kann er mir nicht sagen, was los ist?“
„Ach, Laura, es gibt so viele Gründe, etwas zu verschweigen.“ Mrs Fontana seufzte. „Sternenschweif tut, was er für das Richtige hält.Lass ihn einfach wissen, dass du immer für ihn da bist und ihm zuhören wirst, wenn er darüber sprechen kann.“ Tröstend tätschelte sie Lauras Hand. „Er ist dein Einhorn und auch dein Freund. Verhalte dich so, wie du es bei jedem anderen Freund tun würdest, der in Schwierigkeiten steckt. Wenn er so weit ist, wird er dir schon alles erzählen.“
Bevor Laura etwas erwidern konnte, klingelte das Türglöckchen. Ein Mann und ein kleiner Junge betraten die Buchhandlung und Laura wusste, dass ihr Gespräch mit Mrs Fontana beendet war.
„Vielen Dank, Mrs Fontana“, sagte sie.
„Viel Glück, mein Kind!“ Mrs Fontana lächelte verschwörerisch. „Und vergiss nicht, dir ein Buch auszusuchen. Sonst wundert sich deine Mutter, was du hier so lange gemacht hast.“
Laura dachte den ganzen Tag über ihr Gespräch mit Mrs Fontana nach. Sie war erleichtert, weil Mrs Fontana nicht glaubte, dass ein Einhorn seine magischen Kräfte für immer verlieren konnte. Sie wünschte nur, sie wüsste genau, was mit Sternenschweif los war.
„Bist du sicher, dass es nichts gibt, worüber wir reden sollten?“, forschte Laura, als sie am Abend bei Sternenschweif war. Zärtlich fuhr sie mit den Fingern durch seine seidige Mähne.
Sternenschweif schien einen Seufzer zu unterdrücken.
„Hundertprozentig sicher?“, hakte Laura nach.
„Absolut. Lass uns über was anderes reden.“
Frustriert kaute Laura auf ihrer Unterlippe herum. Mrs Fontana hatte ihr geraten, Sternenschweif so viel Zeit zu lassen, wie er brauchte. „Klar. Ich wollte dir nur noch sagen, dass du mit mir über alles reden kannst, Sternenschweif, egal, was es ist.“
Sternenschweif starrte unverwandt auf den Boden. Laura hielt den traurigen Anblick kaum noch aus.
„Was hältst du davon, wenn ich dir ein paar Möhren hole? Mein Vater hat heute Nachmittag einen ganzen Sack voll in die Sattelkammer gestellt.“
Als Laura zurückkam, hörte sie wie Sternenschweif mit sich selbst sprach: „Ich muss es ihr einfach sagen! Ich ertrage das nicht länger.“
Laura blieb wie angewurzelt stehen. Worüber um alles in der Welt redete er bloß?
Sie flüsterte vorsichtig seinen Namen. Erschrocken hob er den Kopf und starrte sie an. „Laura! Ich habe dich gar nicht kommen gehört.“
„Was hast du gerade gesagt? Was musst du mir unbedingt erzählen?“
„Nichts … ich habe nicht von dir gesprochen.“
In Laura brodelte es. Sie wusste genau, dass das nicht wahr war. „Sternenschweif!“, rief sie wütend. „Nur weil du …“ Sie brach ab. Mrs Fontanas Warnung kam ihr in den Sinn.Wenn sie ihn unter Druck setzte, würde er ihr wahrscheinlich gar nichts erzählen. „Also gut.“ Sie holte tief Luft und sprach mit ruhigerer Stimme weiter. „Wenn du nicht mit mir darüber reden willst, dann ist das natürlich in Ordnung.“
Sternenschweif schien sich ein winziges bisschen zu entspannen. Laura gab ihm eine der Möhren, die sie geholt hatte. „Der
Weitere Kostenlose Bücher