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Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied

Titel: Sternenseide-Zyklus 2 - Das Blaue Lied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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ihnen gleichzutun.
    Ich habe keine Moos-Gedanken, weil Moos im Feuer brennt. Moos brennt.
Keva zitterte, als das Bild des Feuers in ihrem Kopf erglühte.
Feuer.
    »Oki ...«,
sagte sie impulsiv.
    Oki wandte sich vorsichtig vom Stampfstein um.
    »Oki – heute nacht habe ich wieder vom Feuer in den Bergen geträumt.«
    Okis Gesicht, Wangen und Kiefer wurden starr. »Du träumst zuviel«, sagte sie kurzangebunden.
    Keva schüttelte den Kopf und wies den Verweis zurück. Sie wußte instinktiv, daß alles miteinander in Beziehung stand: ihre Träurne, der bärtige Mann, das Blaue Lied. Und wenn Oki wollte, könnte sie ihr darüber etwas erzählen. Da war sich Keva ganz sicher.
    »Oki – erzähle mir von den Frauen in den Bergen. Den Barohnas. «
    Oki stand bewegungslos da, ihr Gesicht war verkniffen. »Du brauchst nichts über diese Frauen zu wissen.«
    Wenn es da wirklich nichts gab, warum reagierte Oki auf ihre Fragen immer mit dieser heftigen Wut?
    »Ich muß es wissen«, beharrte Keva. »Wie sie aussehen, wie sie leben – Oki, sag es mir.« Die Geschichten, die Par den Kindern erzählte, wirkten erfunden; sie hörten sich an wie Geschichten, die von so vielen Generationen von Geschichtenerzählern weitergereicht worden waren, daß sie nur noch ein winziges Körnchen Wahrheit enthielten. Aber es existierten noch andere Geschichten; solche, die unter den Erwachsenen die Runde machten, und Oki kannte sie. Daran hatte Keva keinen Zweifel. Warum stand sonst Schweiß auf ihrer Stirn, ebenso wie damals, als Keva sie bei dem Versteck überrascht hatte?
    »Erzähl es mir!«
    Okis Kiefer krampften sich zusammen; ein Bild eigensinnigen Widerstandes. »Wie sie aussehen?« fragte sie grob. »Sie sehen nicht wie du oder ich aus. Sie sehen eher wie die Frauen aus, die im Sommer mit ihren Herden von den Ebenen kommen. Dunkel und groß – Par hat es dir erzählt. Wie sie leben? Sie leben in der Art der Bergbewohner, und wenn es für dich wichtig wäre, zu wissen, wie sie leben, müßtest du keine Tochter eines Warmstrom-Weedfischers sein. Wir leben hier, wo die Barohnas nie hingelangt sind, weil wir nichts über sie und ihre Bergart wissen wollen.«
    »Aber du weißt etwas«, beharrte Keva. »Die Weedfischer kamen einst aus den Tälern. Pars sagte mir, daß sie früher mit den Bergleuten in Steinhallen lebten.« Soviel stimmte sicher von dem, was Par erzählt hatte. Das übrige, die Geschichten von Barohnas, die schwere Felsblöcke emporhoben und sie in der Luft tanzen ließen, die Geschichten von Steinaugen, die über weite Entfernungen sehen konnten –das waren sicher Märchen, nichts als Märchen.
    Okis Hände preßten ihre Hosenbeine und kneteten das grobe Gewebe. Ihr Mund wurde hart. »Die Weedfischer lebten in den Bergen, bevor sie zu Weedfischern wurden; das stimmt. Und sie gingen fort, weil sie dort nicht länger leben wollten. In den Bergen sind Dinge geschehen, die nie hätten geschehen dürfen, wo Menschen miteinander leben.«
    »Geschieht es immer noch?«
    »Jetzt?« Okis Gesicht verfinsterte sich. »Was macht es denn schon aus, wenn es heute noch geschieht? Unsere Leute haben die Bergtäler vor unzähligen Generationen verlassen. Als wir fortgingen, waren wir blasse, weißhaarige Menschen, so wie die Leibeigenen, die für die Barohnas schufteten. Damals
waren
wir Leibeigene, und heute sind wir freie Menschen – ohne die Steinkasernen um uns. Wir haben vieles geändert.
    Aber die Barohnas haben sich nicht geändert. Egal, was die Frauen aus den Ebenen erzählen, wenn sie mit ihren Herden kommen; sie haben sich nicht geändert. Vielleicht benutzen sie jetzt nicht mehr ihr Feuer dazu, ihre Sklaven zu verbrennen. Vielleicht führen sie keine Kriege mehr von Tal zu Tal. Aber das Heute ist nur ein Moment in der Zeit. Solange die Barohnas der Sonne Feuer entziehen können, solange werden sie auch verbrennen – und wir werden hier bleiben; hier, wohin sie niemals gelangen.«
    Kevas Augen wurden schmal. Einmal herausgefordert, war Oki plötzlich bereit, zu sprechen. »Aber Par hat niemals ...«
    »Par erzählt den Kindern niemals die schlimmen Tatsachen«, sagte Oki bitter. »Er ist selbst ein Kind – in schönen Geschichten verloren. Und so bist du unwissend aufgewachsen. Du hast nie von den Sklaven gehört, die auf ihren Feldern zu Asche wurden, und von Kindern, die geblendet wurden, weil die Barohnas beschlossen, gegeneinander Krieg zu führen. Kein Geschichtenerzähler wird dir diese Dinge erzählen, wenn er eine

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