Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
trat zu einem leeren Stuhl und tat, was sie die anderen tun gesehen hatte; sie ließ den Würfel in eine schmale Rutsche in der gepolsterten Armlehne des Sitzes fallen.
Ihr Schirm erfüllte sich mit Farben und Licht, und eine weibliche Stimme murmelte etwas Unverständliches nahe ihrem Ohr. Reyna zuckte erschrocken zusammen, zwang sich jedoch dazu, sitzen zu bleiben. Eine Zeitlang konnte sie das, was sie sah, nicht in ein sinnvolles Muster auflösen. Dann erkannte sie, daß sie auf winzige Flocken lebender Farbe schaute, die durch eine Unterwasserlandschaft schwammen. Die schwimmenden Wasserpflanzen, zwischen denen sie umherhuschten, waren zierlich und trugen lange, treibende Blätter, die farbig geädert waren. In regelmäßigen Intervallen schienen sie von einer Kraft hochgesogen und kurz in aufrechtem Zustand gehalten zu werden. Dann kamen sie wieder frei und fingen an, in der Strömung zu tanzen und zu schwingen, bis das Wasser wieder still wurde und die Pflanzen erneut reglos verharrten.
Reyna verfolgte den merkwürdigen Tanz und die schwimmenden Flocken fasziniert, bis ihr bewußt wurde, daß sich das Band wiederholte, und nicht zum erstenmal. Sie hatte die gleiche Konfiguration der schwimmenden Flocken mindestens schon zweimal zuvor gesehen, die für einen Augenblick in einem sie umgebenden Kreis aus Blättern eingefangen waren.
Sie runzelte die Stirn und blickte sich im Raum um, bis sie sah, daß einer ihrer Nachbarn an die Armlehne seines Stuhles tippte und sein Schirm dunkel wurde. Versuchsweise probierte Reyna die Lehne ihres Sitzes aus und entdeckte einen Regler. Sie betätigte ihn, und ihr Schirm verdunkelte sich ebenfalls sogleich. Dann ging sie an die Konsole, um ein neues Band zu holen.
Sie blieb in dem Raum, betrachtete immer selbstvergesse ner die Szenen, die die Würfel für sie aufführten, bis sie hörte, wie jemand hinter ihr ihren Namen aussprach.
Überrascht erhob sie sich halb und blickte sich um. Hinter ihr war niemand, aber ehe sie sich wieder hinsetzen konnte, wurde ihr Name widerholt: »Reyna Terlath. Achtung, Reyna Terlath. Bitte begeben Sie sich zur nächsten ID-Station und identifizieren Sie sich. Reyna Terlath ...«
Der Schiffskommunikator ließ ihren Namen aus den Wänden ertönen und gab ihr Anweisungen in ihrer Sprache, wenn auch schlecht ausgesprochen. Sie entfernte sich schuldbewußt vom Stuhl und fragte sich, was sie falsch gemacht haben mochte. Ihr erster Impuls war, als die Botschaft wiederholt war, in ihre Suite zu fliehen. Wenn jemand sie zu sprechen wünschte, sollte er sie dort aufsuchen. Und zwar persönlich, nicht in Form einer körperlosen Stimme.
Aber sie hatte keinen Lageplan der Flure im Kopf, die sie bei ihrer Odyssee durch die
Narsid
durchschritten hatte. Sie war einfach gegangen und hatte auf einen Zufall gebaut, der sie möglicherweise in einen vertrauten Bereich geführt hätte. Aber bis jetzt war das nicht geschehen. Und so, machte sie sich klar, wußte sie nicht, wie sie in ihre Suite zurückfinden sollte.
Außerdem war sie gar nicht sicher, die nächste ID-Station linden zu können. Waren es die unauffälligen Metallschilder, die in unregelmäßigen Abständen an den Korridorwänden an angebracht waren? Sie hatte gesehen, wie Leute die Hände dagegengelegt hatten.
»Reyna Terlath . . .«
Sie schaute sich befangen um und war erleichtert zu sehen, daß niemand auf ihren Namen zu achten schien, der von den Wänden schnarrte. Rasch verließ sie den Bildschirmraum.
Unschlüssig blinzelte sie den hell erleuchteten Korridor hinab und ging, bis sie eine dieser Metalltafeln entdeckte. Noch einmal sah sie sich um – sie bekam nicht mehr als ein paar Seitenblicke mit – und legte die Hand gegen das Metall.
Nichts Aufregendes geschah, außer daß die Aufrufe des Schiffskommunikators abrupt verstummten und das übliche unverständliche Informationsgeplapper fortgesetzt wurde. Reyna zögerte und sah den Flur hinauf und hinunter. Was würde jetzt geschehen, nachdem sie getan hatte, wozu sie aufgefordert worden war? Oder war es das nicht gewesen? Wie konnte sie wissen, ob die Metallplakette tatsächlich eine ID-Station war? Sie wartete eine Weile daneben, dann wandte sie sich unentschlossen wieder dem Bildschirmraum zu.
Aber die Faszination war unterbrochen. Sie blieb eine Weile stehen und betrachtete das Panorama der prächtigen Szenen, dann wandte sie sich ab und wanderte ziellos den Korridor hinab.
Bald roch sie Essen, das irgendwo in der Nähe gekocht
Weitere Kostenlose Bücher