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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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damit jeder von uns einen nehmen kann und wir diesen für Schlafdecken und Verpflegung benutzen können?«
    »Man hat uns fünf Stück zugeteilt«, antwortete Verra. Auf seinen fragenden Blick hin fuhr sie fort: »Einen für unsere Habseligkeiten, je einen für jeden von uns sowie einen für Birnam Rauth. Wenn wir ihn finden.«
    Wenn.
Reyna überhörte diese Einschränkung nicht. Aber was hatte sie denn erwartet? Sie glättete die Sternenseide an ihrer Hüfte und sah zu Juaren hin; sie fragte sich, welche Vorbehalte er dagegen haben mochte, daß sie Birnam Rauth fanden – oder auch nur erfuhren, was aus ihm geworden war. Sein Gesicht ließ sie nichts als das Verlangen erkennen, wieder zu fliegen.
    Sie und Verra verbrachten den Rest des Nachmittags mit nutzlosen Verrichtungen. Verra befaßte sich mit Pflanzengattungen, und Reyna entdeckte, daß das Tierkind weit mehr fressen konnte, als ihrer Meinung nach in ihm Platz war, und daß es darüber entzückt war, wenn sie ihm den prallen Bauch streichelte. Wenn sie sich ihm widmete, verengten sich seine Augen zu schmalen Schlitzen, und es grunzte vor Wohlbehagen. Reyna mußte jedesmal lachen, wenn es diesen kehligen Laut hervorbrachte.
    Als Juaren zurückkam, aßen sie nochmals; danach befolgten sie seinen Rat und schliefen ein wenig.
    Endlich ging der Mond auf, und sie schnallten sich die Antischweregeräte um; Verra nahm das Junge an dem Halsband mit sich, das sie für es entworfen hatte. Sie erhoben sich gemächlich vom Boden; ihre Schatten huschten hinter ihnen her.
    Sie flogen niedrig, glitten über Gras und Büsche und wichen den dürren Bäumen aus. Anfangs wuchsen die Bäume zahlreicher und standen in Gruppen und kleinen Hainen entlang des gewundenen Flußlaufes. Dann änderte sich die Vegetation so unvermittelt, als hätte jemand eine Linie gezogen. Das Buschwerk und die vereinzelten Bäume verschwanden. Der Fluß nahm seinen Weg durch das karge Grasland ...
    ... und in die Schatten des Waldes. In die Schatten hoher weißer Bäume, die in geraden Reihen wuchsen und zwischen die der Mond silberne Speere schleuderte. Die Schatten der Bäume streiften den Boden, der mit einer tiefen Laubschicht bedeckt war. Der Geruch unter den hohen Bäumen war scharf und frisch. Ihre ausladenden Zweige trugen einen dünnen, dunklen Überzug.
    Reyna, Verra und Juaren setzten ihre Schweber inmitten der Bäume zu Boden. Reyna blickte sich ehrfürchtig um. Sie hatte nicht erwartet, daß die Bäume hoch sein würden und daß sie so geradlinig wachsen würden. Sie hatte nicht erwartet, daß sie in Reihen standen, als wären sie im Aufbruch zu einem Marsch begriffen. Der Mondschein kam ihr hier heller vor als im Grasland; er schuf ein Gitterwerk aus Schatten. Indem sie Juarens Vorbild folgte, schaltete sie das Schwebe-Aggregat aus.
    »Von hier aus gehen wir zu Fuß weiter«, flüsterte er.
    Daß er nicht laut sprach, schien ihr eine Vorbedeutung zu haben. Denn hier war etwas zu spüren, das es in der Steppe nicht gegeben hatte. Dies, wurde ihr klar, war ein Ort, an dem Legenden lebten; heitere und fremdartige Legenden von einer Art, wie sie in den Hallen von Brakrath nicht bekannt waren. Dies war ein Ort, an dem die Schatten Geschichten zu erzählen wußten und der Wind in einer eigenen, zischenden Sprache redete.
    Sie hatte einen lebendigen Wald betreten. Sie wußte das trotz der Stille, die um sie war. Juaren und Verra ahnten es ebenfalls. Reyna ersah es aus der Sorgfalt, mit der Verra die Füße niedersetzte, und aus der Wachsamkeit in den Augen Juarens, wenn er zu ihr zurückblickte. Das Tierjunge war wach geworden, und zum erstenmal wand es sich nicht in ihren Armen und maunzte nicht. Er spähte umher, ohne einen Ton von sich zu geben; die Augen waren weiter, als Reyna es je bei ihm gesehen hatte, seine feuchten Nüstern zuckten. Die Abendbrise strich über sie, fuhr ihnen mit Windfingern durch die Haare und säuselte durch die Bäume.
    Juaren bestimmte den Weg, den sie nahmen; er ging leichtfüßig, als wüßte er genau, welche Richtung sie einschlagen mußten. Reyna verlor bald jegliche Orientierung, als sie ihm folgte. Allein der Mondstand zeigte ihr an, daß sie eher tiefer in den Wald gingen, als daß sie sich am Rand bewegten. Gelegentlich kreuzte der Bach ihren Weg, und sie wateten hindurch. Einmal hielten sie für einige schweigend verbrachte Momente in einem Wiesental an. In der Luft waren keine Insekten, und in den Bäumen gab es keine Anzeichen für ihre papierartigen

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