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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sehr nett«, tastete ich mich vor. »Aber … ich erinnere mich an nichts. Sie wird doch unwillkürlich erwarten, dass ich mich genau wie früher verhalte, und das wird nicht der Fall sein, was sie wiederum enttäuscht … Hatte ich wenigstens ein paar dämliche Angewohnheiten, Tag?«
    »Also … ein paar. Du bist hitzköpfig. Du stürzt dich bedenkenlos in ein Abenteuer. Aber das hängt von deinem Charakter ab, und dein Temperament dürfte sich ja wohl kaum grundlegend geändert haben. Wollen wir etwas essen, Niki?«
    »Ja.« Plötzlich fiel mir auf, wie hungrig ich war.
    »In der Nähe gibt es ein nettes Restaurant …«
    Er steckte abermals die Hand in den Trichter.
    »Warum ist eigentlich der direkte Kontakt mit dieser Brühe nötig, Tag?«, wollte ich wissen. »Die Kommunikation mit dem Steuerungssystem könnte doch auch von weitem erfolgen, oder?«
    »Das ist keine Brühe, sondern ein kolloidaler Aktivator«, erklärte mir Tag. »Mit seiner Hilfe bestimmt das System deine Persönlichkeit und entscheidet, ob du das Recht hast, das Verkehrsmittel zu benutzen. Wenn es viele Passagiere gibt, könnten die widersprüchlichen Befehle das Steuern unmöglich machen. Oder deine eigenen Überlegungen, wohin du fahren möchtest, werden von dem System als eine Reihe von Befehlen aufgefasst. Der Kontakt mit dem Aktivator bedeutet dagegen, dass du deine Entscheidung getroffen und in die nötige Form gebracht hast. Also … im Grunde ist es Tradition. Die alten Systeme waren noch nicht so empfindlich, sie brauchten den direkten Kontakt mit dem Menschen.«
    »Vielen Dank für den Vortrag …«Ich grinste. »Du wirst mir viel erklären müssen, also haushalte mit deinen Kräften.«
    »Wir werden sie gleich mal ein wenig stärken.«
    Das Auto wendete direkt in der Spur – die hinter uns kommenden Wagen mussten scharf bremsen, um uns Platz für unser Manöver zu machen. Dann bogen wir in eine schmale Gasse ein, in der sich zu beiden Seiten kleine Häuser erstreckten.
    »Wir haben eine hohe Priorität«, meinte Tag munter. »Prima.«
    Ich presste mich gegen die Scheibe und schaute mir die Häuser an. Durch das Grün der Bäume schimmerten die warmen Farben der Fassaden, ließen sich die offenen Fenster ausmachen. Auf einer Wiese zwischen zwei Häusern picknickten zwei Pärchen. Eine Frau, die auf einem Tablett Essen aus einem Haus brachte, fing meinen Blick auf, lächelte und machte eine Kopfbewegung, als lüde sie mich ein, mich ihnen zuzugesellen.
    »Nette Menschen«, bemerkte ich.
    Tag linste durchs Fenster. »Alle Menschen sind nett«, sagte er. »Das ist normal.«
    Ich biss mir auf die Zunge. Warum fehlte mir diese Sicherheit? War auch sie verschwunden – zusammen mit meinem Gedächtnis? Und wieso ausgerechnet jetzt?
    Das Auto verringerte das Tempo.
    »Wir sind da«, verkündete Tag zufrieden.
    Das kleine Restaurant lag unter freiem Himmel. Etwas abseits stand ein kleineres, kuppelförmiges Gebäude, aber anscheinend beherbergte es nur die Küche, nicht die Gäste. Zwei Dutzend Tische waren in schnurgeraden Reihen um ein quadratisches Becken mit einem sprudelnden Springbrunnen aufgestellt. Das Wasser im Becken leuchtete schwach, nicht von Scheinwerfen angestrahlt, sondern als schimmere es von selbst in zartem türkisfarbenen Licht.
    »Da drüben ist etwas frei …«
    Ich trottete brav hinter Tag her und versuchte, nicht allzu offen alles um mich herum anzuglotzen. Uns beachtete niemand, obwohl viele Menschen hier waren. Auf jedem Tisch brannte ein Lämpchen, ein Metallgefäß mit einer öligen Flüssigkeit, in der ein Docht schwamm. Wahrscheinlich weil es schön aussah. Der Platz um den Springbrunnen herum war mit Steinplatten in verschiedenen Farben gepflastert, an seinen Rändern leuchteten matt niedrige Laternen. Einige Autos parkten in der Nähe, die meisten Menschen schienen jedoch zu Fuß gekommen zu sein.
    Wir setzten uns an den freien Tisch. Breite, bequeme Stühle, ein makellos sauberes, rosafarbenes Tischtuch aus Wolle, ovale und quadratische Teller, allerlei Besteck aus gelbem Metall. Die Unmenge von Gabeln, Löffeln und Messern beunruhigte mich ein wenig. Anscheinend hatte ich vergessen, wie sie zu gebrauchen waren.
    Insgesamt gefiel es mir hier jedoch.
    »Nur keine Sorge«, flüsterte mir Tag zu. »Erinnerst du dich an nichts?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wir sind oft hier gewesen. Als wir noch im Internat gewohnt haben, fanden einige Unterrichtsstunden hier statt. Schon damals haben wir beschlossen,

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