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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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regelmäßig hierherzukommen.«
    Tag amüsierte sich über etwas, das ihm völlig klar war. Welcher Unterricht wohl in einem Restaurant gegeben wurde? Tischmanieren? Wohl kaum, denn dann würde selbst ein behagliches Fleckchen wie dieses nicht derart angenehme Gefühle wecken.
    »Und wer kommt hierher?«
    »Wer immer Lust dazu hat. Wer in der Nähe wohnt oder arbeitet.«
    Verstohlen beäugte ich die Menschen an den Nachbartischen. Größtenteils handelte es sich um Gruppen von drei oder vier Menschen verschiedenen Alters, aber meist nur eines Geschlechts. Bei den Pärchen überwogen ältere Leute.
    Ging man normalerweise also mit seinen Freunden essen – und nicht mit seiner Familie?
    Abermals stieg ein schmerzliches Gefühl in mir auf. Meine Heimatwelt, die mir fremd geworden war, zu verstehen und zu akzeptieren, das ist etwas anderes, als einen Nachttopf schwingend den Außerirdischen zu entkommen …
    »Hallo!«
    Eine sehr junge Frau im Minirock und mit einem breiten, funkelnden Band über der Brust war an uns herangetreten.
    »Hallo!«, erwiderte Tag.
    »Ich erinnere mich an euch«, meinte die Frau lächelnd. »Du bist Tag. Und du Niki. Stimmt’s? Ihr seid doch auch aus Mütterchens Licht. Das Übliche?«
    Tag sah mich betreten an.
    »Das Übliche«, bestellte ich.
    »Und … eine Karaffe trockenen Wein«, ergänzte Tag.
    Die Frau schnitt eine Grimasse und entfernte sich mit tänzelnden Schritten.
    »Was ist Mütterchens Licht ?«, fragte ich.
    »Das Internat, in dem wir aufgewachsen sind. Das Mädchen ist auch von da, eine ihrer Formen der Vorbereitung-zur-Arbeit ist das Kellnern.«
    »Also haben auch wir mal hier gearbeitet …«
    »Nicht gearbeitet!« Tag schüttelte energisch den Kopf. » Uns-auf-die-Arbeit-vorbereitet. Das ist etwas ganz anderes, Niki! Die Arbeit – das ist dein Schicksal! Das, was dir Vergnügen bereitet und für Die Heimat am nützlichsten ist.«
    »Es ist alles weg, Tag«, stellte ich fest. »Wie ausgewaschen. Vielleicht sollte ich mich lieber … umschmelzen lassen, so wie das Schiff.«
    Tag lächelte gequält.
    »Jeder wird es wissen, jeder wird Mitleid mit mir haben«, erklärte ich. »Alle, die ich kannte, werden mich anschauen, als sei ich ein bemitleidenswerter Kranker. Und selbst wenn das der Wahrheit entsprechen sollte …«
    »Niemand wird etwas davon erfahren!«, unterbrach mich Tag scharf. »Wo denkst du denn hin! Das Persönlichkeitsgeheimnis!«
    Das Wort kannte ich! Der Sinn erschloss sich mir im Großen und Ganzen auch, aber …
    »Die Verlautbarung dessen, was dir passiert ist, ist verboten!«, fuhr Tag fort. »Schließlich ist das eine unangenehme, dich traumatisierende Situation. Wir wissen Bescheid – aber nur, weil wir dir helfen sollen. Dein Ausbilder weiß Bescheid … aber das verstehst du doch, oder? Das Komitee der Fernaufklärung muss eingeweiht werden, immerhin handelt es sich um lebenswichtige Informationen. Vermutlich wird der Weltrat davon erfahren. Aber sonst niemand. Keine einzige lebende Seele wird etwas davon wissen, sofern du es nicht von dir aus erzählst.«
    »Das ist ja schön und gut«, sagte ich. »Aber wie soll ich denn mein Geheimnis wahren? Wenn mich sogar eine Kellnerin erkannt hat? Wenn sie sich daran erinnert, was ich gern esse – und ich selbst nicht?«
    »Ich bin ja bei dir«, beruhigte mich Tag. »Der Ausbilder, Katti, Han, ich … Solange du dich einlebst, sind wir immer in deiner Nähe. Du bist stark, Niki. Du wirst dich daran gewöhnen und ein drittes Mal geboren werden!«
    »Und wann war das zweite Mal?«, hakte ich nach. »Sicher, ich kenne das Wort Zweite-Geburt. Aber was bedeutet es?«
    »Zunächst kommst du auf die Welt«, holte Tag aus. »Die Liebe deiner Eltern und die Fürsorge Der Heimat schenken dir das Leben. Dann wählst du dein Schicksal. Der Ausbilder gibt dir dann einen Beruf. Das ist die Zweite-Geburt.«
    »Bin ich eigentlich ein kompletter Idiot?«, fragte ich leise.
    »Nein, Niki. Du bist krank. Jetzt wirst du gesund werden.«
    Die Kellnerin kam mit einem Tablett zurück, und wir verstummten.
    »Dein Fleisch, Niki.« Sie stellte ein Tongefäß vor mich, unter dessen Deckel Dampf aufstieg. Es roch lecker. »Und dein Fisch, Tag.«
    »Danke, Mädchen«, bemerkte Tag.
    »Brot … und euer Wein.« Das letzte Wort sprach sie leicht missbilligend aus. Sie stellte ein rundes, mit einer rubinroten Flüssigkeit gefülltes Gefäß in die Tischmitte.
    »Wir trinken ihn auf ärztliche Anordnung«, klärte Tag sie auf.
    »Ach …

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