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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Guten Appetit.«
    »Warum sprichst du sie nicht mit Namen an?«, fragte ich Tag, während ich der Kellnerin nachsah. Wer gefiel mir eigentlich besser? Katti oder sie? Keine Ahnung. Kattis Frisur war ziemlich hässlich. Ihr hätten lange Haare gestanden …
    »Woher soll ich ihren Kindernamen kennen?«, wunderte sich Tag. »In einem Jahr bekommt sie ihren Erwachsenennamen, dann mache ich mich mit ihr bekannt.«
    Wie seltsam das alles war, wie erstaunlich …
    Schweigend nahm ich den heißen Deckel ab und tat mir Fleisch auf, große, appetitliche Stücke, die mit Gemüse vermengt waren. Tag beobachtete mich verstohlen, als erwarte er einen Ausruf meinerseits: »Jetzt erinnere ich mich!« Nein, Tag … Mich erstaunten diese Lebensmittel nicht, ich wusste, dass Essen lecker sein muss, aber ich glaubte nicht, dass dieser gedämpfte Brei mein Lieblingsgericht war.
    Tag tat sich zwei große Stücke weißen Fischs auf. Als er probierte, hantierte er geschickt mit zwei Gabeln zugleich. »Hmm!«, schmatzte er. »Ich verstehe wirklich nicht, wie man standardgerechten, idealen Fisch anders zubereiten kann! Aber es geht! In der Mensa vom Wohnheim ist das Essen viel schlechter!«
    »Du wohnst im Wohnheim?«
    »Ja-a …« Tag verschluckte sich. »Genau wie du. Ein eigenes Zuhause bekommt ein Mensch, wenn er eine Familie gründet. Und wir sind halt noch Junggesellen!«
    »Ich werde wohl ein ewiger Junggeselle bleiben«, prophezeite ich düster. Ich gab den Versuch, mit der winzigen Gabel zu essen, auf und schnappte mir einen großen Löffel. Tag nickte anspornend. »Wenn Junggesellen hier essen, ist es allerdings nur halb so schlimm!«
    »Ein nettes Plätzchen«, schloss sich mir Tag an. »Aber lassen wir das. Was ich über den ärztlichen Rat erzählt habe, stimmt. Katti hat dir natürliche Psychostimulatoren verordnet.«
    »Wein?«
    »Ja.«
    Er füllte zwei gläserne Becher und schaute versonnen durch eines hindurch auf den in der Schale brennenden Docht. Es dunkelte bereits, und der Wein im Glas funkelte mit kräftigem feiertäglichen Licht.
    »Wie schön«, bemerkte Tag gedankenversunken.
    Ich schaute ebenfalls durch das Glas auf die Flamme.
    »Kein Ende kannte die Kerze, brennend auf dem Tisch. Die Kerze brannte«, sagte ich.
    »Ist das ein Gedicht?«, fragte Tag erstaunt. »Wie aufschlussreich. Das müssen wir im Informatorium nachschlagen. Wer hat dich da wohl derart nachhaltig beeindruckt?«
    »Wenn ich das wüsste.«
    »Vielleicht ist es von dir«, vermutete Tag. »Du hast in deiner Kindheit selbst Gedichte zusammengeschustert, bis dir der Ausbilder irgendwann Zehntausend große Verse in die Hand gedrückt hat, dann hast du aufgehört, deine Kräfte zu vergeuden … Gut, Niki. Auf deine Rückkehr.«
    Ich hob mein Glas auf die Höhe des seinen und stieß mit dem Rand leicht dagegen. Das Glas antwortete mit einem feinen, angenehmen Ton.
    »Was soll das?«, fragte Tag irritiert.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe mir so ein Ritual ausgedacht.«
    Der Wein trank sich gut, den Geschmack kannte ich. Ich nahm einen weiteren Schluck, bevor ich das Glas auf dem Tisch abstellte.
    »Warum hat sich die Kellnerin über die Bestellung so gewundert?«
    »Alkohol ist nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt«, erklärte Tag widerstrebend. »Es gibt zwar kein Verbot, aber es müssen gewichtige Gründe vorliegen, damit man sich seinen Genuss erlauben darf.«
    »An gewichtigen Gründen mangelt es uns nicht.«
    »Leider«, stimmte Tag zu.

Vier
     
    Der Wein wirkte schnell, obwohl er ganz leicht war, der Alkohol kaum zu spüren. Doch ich hatte diesen Zustand erwartet und wunderte mich nicht, als über meinen Körper eine Welle der Entspannung wogte, das Entsetzen angesichts meiner Lage von mir wich und die Welt mir beinahe vertraut vorkam.
    »Han kommt wohl nicht mehr«, meinte Tag seufzend. »Mein Herr Bruder ist mal wieder in seiner Arbeit versackt …«
    »Er ist dein Bruder?«
    Tag war der Wein ebenfalls zu Kopf gestiegen, er wunderte sich über nichts mehr, nahm meine Amnesie gelassen hin.
    »Ja. Als Kleinkind war er häufig krank, so dass man unseren Eltern geraten hat, ihn noch ein halbes Jahr bei sich zu Hause zu behalten. Auf diese Weise sind wir in einer Gruppe gelandet.«
    »Und wer sind meine Eltern? Habe ich auch Geschwister?«
    Tag runzelte die Stirn und versuchte angestrengt, sich zu erinnern. »Deine Mutter hat dich ein paar Mal besucht … und dein Vater … also … Ich weiß es nicht, Niki! Du kannst im Informatorium

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