Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
zweijährigen Kindes ermittelt werden kann?«
    »Kaum. Ich musste selbst etwas erarbeiten.« Andrej Chrumow lächelte bitter. »Ja, du liegst richtig. Ich habe dich nicht einfach aus dem Waisenhaus mitgenommen. Ich habe dich ausgewählt. Wie einen Welpen. Ich wollte einen gesunden und klugen Jungen. Ich habe Tomographie, ein Kardiogramm und Analysen eingesetzt. Tests. Ich habe unter anderthalbtausend Jungen den vielversprechendsten ausgewählt.«
    »Du bist ein Schuft, Andrej Valentinowitsch.«
    »Ja. Ich bin ein Schuft. Aber genau deshalb habe ich dich zu einem Menschen erzogen. Ich habe den Diamanten geschliffen. Allein hättest du deinen Weg nie gemacht, Pjotr. Du wärst ein Arbeiter geworden. Oder ein Bauer. So anständig, wie du bist, hättest du es nicht mal zum Banditen gebracht! Heute würdest du literweise billigen Wodka saufen oder Gras rauchen. Du hättest deine Intelligenz zu Grabe getragen, dein Gedächtnis, deine Güte, tropfenweise den Menschen aus dir herausgepresst. Und die Erde würde auf dem Weg vorangehen, den die Aliens für sie abgesteckt haben!«
    »Dann wäre es aber wenigstens mein Weg gewesen, Chrumow! Was du da sagst … die Aliens glauben doch auch, es sei ihr gutes Recht, für uns zu entscheiden! Auch sie schleifen bloß den Diamanten! Indem sie es den Menschen verbieten, ihre Kräfte für unnütze Dinge zu vergeuden!«
    »Wir sind beide Menschen.«
    »Aber was heißt das? Du hättest mich nicht anlügen müssen! Ich hätte nicht aufgehört, dich zu lieben, wenn du mir die Wahrheit gesagt hättest! Du wärest mein Großvater geblieben! Begreifst du das denn nicht? Ich wäre Kosmonaut geworden, wenn du mir erklärt hättest, warum das wichtig ist! Du hättest mich so oder so zu was auch immer erziehen können! Zu einem Kämpfer gegen die Aliens, einem Terroristen oder einem Mörder. Was auch immer dir in den Kram gepasst hätte!«
    Chrumow erwiderte kein Wort.
    Ich wandte mich ab. Tränen stiegen in mir auf. Sie funkelten wie kleine Kristallkugeln, rissen sich von den Wimpern los, hingen mir vor den Augen und brachen das giftige chemische Licht. Hellblaue Tränen …
    »Ich habe dich geliebt, Petja«, sagte Chrumow. »Glaubst du mir das?«
    »Du hast mich geliebt? Wie ein perfektes Werkzeug, an das sich die Hände gewöhnt haben?«
    »Nein. Wie einen Enkel. Ich habe meinen Sohn nicht so geliebt, wie ich dich geliebt habe.«
    Darauf schwieg ich. Sanft erglommen die Lampen der Notbeleuchtung.
    Ich wollte jetzt kein Licht!
    »Es ist sehr einfach, sich für die Gemeinheit zu ent scheiden«, sagte Chrumow leise. »Vor allem wenn du selbst zugibst, dass etwas gemein ist. Zu entscheiden, dass du einen Erben brauchst. Jemanden, der deine Ideen fortführt. Du investierst etwas Geld, um jemanden zu bestechen … und ich war nie ein armer Mann, das weißt du. Du heuerst Ärzte an, die unter tausendfünfhundert Jungen einen auswählen. Die Behörden wussten Bescheid … aber ihnen war es egal. Ein alter, streitlustiger Populist, der den Verstand verloren hat und sich einen neuen Enkel aussucht … Ja, ich wollte einen Verbündeten finden. Einen Verbündeten, mehr nicht! Einen jungen Mann, der mir alles verdankt! Aber dann wurdest du mir zum Sohn, zum Enkel, zu allem … Ich habe dich zu sehr geliebt. Ich habe mich gescheut, das zuzugeben. Es ist sehr schwierig, sich zur Offenheit durchzuringen … vor allem gegenüber jemandem, den du liebst. Was spielt es denn letzten Endes für eine Rolle? Was für eine? Ich hätte es dir so früh wie möglich sagen sollen. Mit zehn, zwölf oder fünfzehn Jahren. Es hätte nichts geändert. Sogar heute kann ich dir genau sagen … wie du in dem einen oder anderen Alter reagiert hättest. Aber ich brach te es nicht fertig. Mir fehlte der Mut.«
    »Du lügst«, flüsterte ich.
    »Nein, Petja. Ich habe keinen Beweis, um dich zu überzeugen, dass ich nicht lüge. Gar keinen. Ich bin dir wirklich fremd. Wir sind keine Blutsverwandten. Aber die Liebe … die bemisst du nicht mit irgendwelchen Geräten. Der kannst du kein Zertifikat und Siegel beilegen.«
    »Aber du liebst mich nur, damit ich die Erde …«
    »Ja zur Hölle mit ihr, mit dieser Erde!«, schrie mein Großvater mit dünner Stimme. »Soll sie doch zu Staub zerfallen! Im Feuer verbrennen! Wenn ich gewusst hätte, es damals gewusst hätte … wenn mir klar gewesen wäre …«
    Ich zitterte, krallte mich am Sitz fest, riss mich dann los und beugte mich zu meinem Großvater vor. Er krümmte sich, bedeckte das

Weitere Kostenlose Bücher