Sternenstaub (German Edition)
Unterfangen. Jener Teil von Ilms war zwar noch nicht besetzt, aber an der Grenze zu Usw-Jenkanej lag das Heer des Unsterblichen. Es würde mehr als vernünftig sein, nach Een zurückzu-kehren. Und in jenem Moment, als er aufsaß, um genau das zu tun, da krähte in der Nähe ein Hahn. Sehr verwunder-lich, denn das Morgengrauen war noch fern.
Bestärkt von einer ungreifbaren Ahnung gab Niclas den Befehl auszuschwärmen. Und schon ertönten Schreie in der Finsternis; eine Handvoll Kinder kam über den Hügel ge-rannt, verfolgt von einer Horde blutrünstiger Ghule.
Ohne zu z ögern bildeten die Halblinge eine Phalanx. Mit ihren Lanzen griffen sie die Scheusale an und rissen schwe-re Verluste. Beim eiligen Rückzug schnappten sie die Kin-der und jagten davon.
Aber ein Ghul ist zäh. Mehr als ein Dutzend nahmen die Verfolgung auf. Und ihre Beine hatten nicht nur das Aus -sehen von Pferdefüßen, sie konnten auch so schnell rennen wie die eines Gauls. In Kürze hatten sie aufgeschlossen und versuchten, die verängstigten Pferde der Halblinge am Schwanz zu packen. Es schienen immer mehr Untiere zu werden, die nun von allen Seiten angriffen.
In höchster Not gelang es Niclas einen Ghul davon abzu -halten, auf sein Ross zu springen. Doch zwei seiner Ge-treuen hatten weniger Glück: Ihre Leiber wurden augen-blicklich zerfleischt.
Unverhofft schälte sich am Horizont Licht aus dem Dunkel. Rettung?
Auf weisen Einhörnern hetzten sie heran , um den Ghule das verdiente Ende zu bereiten.
Fürst Dimitrij und seine tot geglaubte Schar der furchtlosen Lichtreiter. Als ihre Heimat, die Gärten von Aschkabach, nicht mehr zu halten war, wagten die Überlebenden einen Durchbruch und entkamen. Über die Pfade der Tegurten gelangten sie in das Blaue Gebirge und nur einem glück-lichen Zufall war es geschuldet, dass sie Ilms durchquerten, als ihre Hilfe am dringendsten benötigt wurde.
Die Schwerter der Lichtreiter taten ihre Arbeit mit Eleganz und Präzision. Es gab weder Gemetzel noch unbedachte Wutausbrüche; der zahlenmäßig unterlegene Haufen Ghule wurde fachmännisch beseitigt, währenddem Niclas glaubte, einem Geist bei seiner Arbeit zuzusehen.
“Dimitrij, seid ihr es wirklich?”
“Jawohl mein Freund.” Der blonde Fürst beugte sich he-rüber und reichte dem Halbling die Hand.
“Das Glück ist dem hold, der nie die Hoffnung verliert. Ich hätte nicht geglaubt, euch diesseits der Grenze zu begeg -nen.”
Der Dynast wirkte beschämt. “Wie gern täte ich eine Ar -mee anführen, die das Geschehene rückgängig macht.”
“Nichts für ungut, Niclas. Die Prinzessin von Een hat ihre Entscheidung zum Wohle ihres Volkes gefällt. Kein Halb -ling hat sich etwas vorzuwerfen.”
“Wir waren auf der Suche nach einem Dzun-Golon”, sagte der Dynast. “Es besteht die Möglichkeit, dass er im Besitz des Karfunkels ist.”
“Jurik Monokel?”, fragte auf einmal ein dünnes Stimmchen hinter seinem Rücken.
Im Eifer des Gefechts hatte Niclas ganz den Jungen mit dem Hahn unter Arm vergessen, den er vorhin aufgelesen hatte.
“Ja genau so heißt der Bursche. Kennt ihr ihn etwa?”
Wäre die Geschichte jetzt zu Ende gewesen. Nun ja. Dann wäre ich einigermaßen glimpflich davon gekommen. So aber stellte sich heraus, dass der kopflose Jurik seinen Lendenbeutel in Jegors Hütte hat liegen lassen. Und da alle, außer mir, hinter dem vermaledeiten Karfunkel her waren, mussten wir einen Umweg machen, ehe wir nach Een auf-brechen konnten.
Im strahlenden Sonnenschein erreichten wir den Ort des Schreckens, doch von Strigoi keine Spur.
Jegor und seine Frau waren verschwunden, glücklicher -weise ohne den Beutel samt Karfunkel mitzunehmen. Er lag noch dort, wo ihn Jurik vergessenen hatte. Die Freude des Fürsten war groß und so konnte er seinen hungrigen Mannen den Wunsch nicht abschlagen, das Gehöft nach Essbarem zu durchsuchen. Zwei Kanten altes Brot, ein halbverhungertes Schwein und drei Hühner trugen sie zu-sammen. Das Brot wurde sofort verzehrt, das Schwein hatte Gnadenfrist bis zum Nachtlager, aber die Hühner, die überlebten. Dank Juriks Intervention.
Leider hatte ich ihn über die Redekünste der Hennen auf -geklärt und so offenbarte sich endlich sein wahres Gesicht: Den Karfunkel von Ledynia hat er sozusagen nebenbei ge-rettet, denn ein Künstler benötigt schließlich in jedem Fall ein Publikum. Ich war die Geisel eines wahnsinnigen Kes-selflickers, der, nachdem wir Een erreicht hatten, alle
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